Es geht immer ums Geld

[Fortsetzung von »Wie kommt das Grundeinkommen in die Welt?«]
[aktualisiert am 23.1.2020]

»Geld ist nicht das Problem. Geld haben wir wie Dreck.«
(Heiner Geißler)

In der Broschüre des Bundeministeriums für Justiz zum Thema Pfändung findet man folgende Informationen:

Frage:
Warum gibt es Pfändungsfreigrenzen für Arbeitseinkommen?

Antwort:
Die Pfändungsfreigrenzen sollen sicherstellen, dass Schuldner auch bei einer Pfändung ihres Arbeitseinkommens über das Existenzminimum verfügen und ihre gesetzlichen Unterhaltspflichten erfüllen können. Zugleich soll vermieden werden, dass Schuldner aufgrund von Pfändungsmaßnahmen auf Sozialleistungen angewiesen sind und dadurch letztlich die Allgemeinheit für private Schulden einzustehen hat. Der Pfändungsschutz ist der Höhe nach begrenzt, damit dem Gläubiger nicht durch übersteigerte Schuldnerschutzbestimmungen die Realisierung seiner titulierten Forderung unzumutbar erschwert wird.

Das klingt für mich sehr nach einer gut annehmbaren Grundlage, um mit einem Grundeinkommen zu starten.

Hier wird aus gutem Grund dem Schuldner der Lebensunterhalt belassen und dem Gläubiger die Möglichkeit, seine berechtigten Ansprüche erfüllt zu bekommen, wenn auch begrenzt. Es bleibt dem Gläubiger auferlegt, achtsam zu prüfen, ob ein Schuldner akzeptabel ist und für den erhofften Gewinn aus dem angebahnten Geschäft muss der Gläubiger ein gewisses Ausfallrisiko tragen, weshalb er eben den Schuldner auch nicht bis aufs sprichwörtliche letzte Hemd ausziehen darf.

Ein Grundeinkommen könnte also im ersten Schritt in der Höhe der aktuellen Pfändungsfreigrenzen festgelegt und eingeführt werden. Hier bedürfte es keiner großartigen Diskussionen und man würde dafür mit ziemlicher Sicherheit breite Zustimmung erhalten.

Die Höhe bei Einführung eines Grundeinkommens läge also bei 1.140 € – entsprechend angepasst, wenn sich Pfändungsfreigrenzen ändern. Zugrunde gelegt ist hier der Wert für eine Einzelperson ohne Unterhaltsverpflichtung, zurzeit also 1.139,99 € laut aktueller Pfändungstabelle, Stand 1. Juli 2017.

Später sollte dann ein Instrument diskutiert werden, mit dessen Hilfe man einen vernünftigen und mehrheitlich akzeptablen Wert ermittelt, den ein Grundeinkommen langfristig betragen soll. Hier erscheint mir ein Warenkorb-Modell sinnvoll. Es muss dann also erarbeitet werden, welche Dinge und in welcher Menge und zu welchem Wert in diesem Warenkorb enthalten sein müssen, welche hinein dürfen und welche nicht hineingehören und aus welchen Gründen. Hierfür stelle ich mir eine Kommission vor, die sich aus Fachleuten und einfachen Menschen zusammensetzt, um auch praxisrelevante und allgemein akzeptierte Ergebnisse zu erzielen, deren Findung auch transparent und öffentlich stattfinden sollte. Diese Kommission sollte in regelmäßigen Abständen tagen, um auf aktuelle Entwicklungen reagieren und den Grundeinkommensbetrag neu justieren zu können.

Am besten wäre es, wenn es konkrete Richtwerte gibt, an denen sich ein Grundeinkommen automatisch ausrichtet. Dann muss die Kommission nicht die Höhe, sondern nur die Grundlagen dafür beurteilen und anpassen, wenn nötig.

Wichtig ist, dass die Entscheidung ausdrücklich nicht in Regierungshand liegt, sondern die Kommission unabhängig von eventuellen Machtstrukturen die Höhe des Grundeinkommens festlegt.

Die Kontrolle dieser Kommission sollte in gesamtgesellschaftlicher Hand liegen und die Kommsssion sollte grundsätzlich immer öffentlich tagen und entscheiden, um vollständige Transparenz zu garantieren und damit auch höchstmögliche Akzeptanz der Ergebnisse. Und jeder Mensch sollte seine Meinung einbringen können – z. B. über eine Internetplattform. Das ist kostengünstig realisierbar und für beinahe Jedermann benutzbar.

Um dem Grundeinkommen die nötige Bedeutung zu geben, damit es seine positive Wirkung auch entfalten kann und um es dem Zugriff beliebiger Politikerentscheidungen zu entziehen, sollte es unbedingt im Grundgesetz oder einer neuen Verfassung als eins der individuellen Grundrechte aufgenommen werden. Mein Textvorschlag hierzu lautet:

Abschnitt Grundrechte
Artikel …
(1) Um das Grundrecht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit zu stärken und zu schützen, erhält jeder Mensch ein monatliches Grundeinkommen. Hierfür muss keine Voraussetzung erfüllt, keine Gegenleistung erbracht, keine Bedürftigkeit nachgewiesen und keine Arbeit geleistet werden.
(2) Die Höhe des Grundeinkommens muss so bemessen sein, dass die grundlegende Lebenshaltung möglich ist und eine angemessene Teilhabe am gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Leben von jedem Menschen wahrgenommen werden kann.
(3) Das Grundeinkommen ist nicht pfändbar.
(4) Das Grundeinkommen soll möglichst ohne weitere Eingriffe wechselnde notwendige Bedarfe der Menschen automatisch berücksichtigen – unter Beachtung der jeweiligen wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gesamtgesellschaft.
(5) Für die Einrichtung, Kontrolle, Regelung und Auszahlung des Grundeinkommens wird eine Einrichtung geschaffen, die als unabhängige Instanz der Gesamtgesellschaft in ihrer Entscheidung frei und unabhängig von Regierungen ist. Die Zusammensetzung der Leitung dieser Einrichtung wird durch freie und öffentliche gesamtgesellschaftliche Wahlen bestimmt. Dieser Einrichtung wird eine Aufsichts- und Kontrollinstanz gegenübergestellt, die ebenfalls in freien Wahlen bestimmt wird. Auch diese ist unabhängig vom Regierungswillen und unterliegt nur der gesamtgesellschaftlichen Kontrolle entsprechend der geltenden Gesetze.
(6) Solange das Grundeinkommen eine Leistung der Nationalgesellschaft ist und nicht vergleichbar in einer nennenswerten Zahl von anderen Ländern existiert, bleibt das Recht darauf auf Menschen begrenzt, die ihren Lebensmittelpunkt im Inland haben.
(7) Satz (6) soll gestrichen werden, wenn ein vergleichbares Grundeinkommen in einer nennenswerten Zahl von Ländern existiert, vor allem in europäischen Ländern und in Mittelmeeranrainerstaaten.
(8) Einzelheiten zu Absatz (4) bis (7) regeln entsprechende Gesetze.

Diesen Text hatte ich auch schon im Artikel »Wie kommt das Grundeinkommen in die Welt?« aufgeschrieben.

Woher kommt das Geld?

Erste Variante (meine Lieblingsidee):

Wir drucken das Geld und geben es aus. Am liebsten neben dem Euro als z. B. »Deutsche Mark« als allein im Inland gültiges gesetzliches Zahlungsmittel. Gleichzeitig wird private Geldschöpfung in jeder Form ausdrücklich verboten.

»Inflation, Inflation!« werden jetzt Einige rufen. Aber das ist zu kurz gesprungen, denn es gibt handfeste objektive Gründe dafür, einfach das Geld für das Grundeinkommen (und auch für alles andere, was dem Staat/der Gesellschaft wichtig ist) zu drucken und auszugeben.

Vorteile:

  • Der Staat und über den Staat der eigentliche Souverän, das Volk, bekommt die alleinige (!) Hoheit über das Geldwesen.
  • Der Staat muss keine Schulden für seine Ausgaben machen und deshalb auch keine Zinsen, also keine Mehrbelastung tragen.
  • Schuldenrückzahlungen sind keine Staatsausgaben. Der Staat schafft und organisiert die Voraussetzungen für eine funktionierende Gesellschaft. Das hierfür benötigte Geld druckt er und bezahlt damit seine Ausgaben. Dadurch kommt das Geld in den Kreislauf.
    Die Geldmenge wird gesteuert, indem durch erhobene Strafgelder, Gebühren für Leistungen und zweckgebundene Steuern mit Lenkungsfunktion Geld wieder an den Staat zurückfließt. Über den Bargeldverkehr wird auch Geld eingenommen und kann dem Kreislauf wieder entzogen oder bei Verschleiß ausgetauscht werden. Schon allein aus diesem Grund ist Bargeld wichtig und nützlich.
    Außerdem kann der Staat über seine gesellschaftlich-öffentlichen Banken auch Kredite ausreichen und die entsprechende Geldmenge bei Rückzahlung wieder aus dem Kreislauf herausnehmen.
    Es ist eine Lüge, dass die Geldmenge ins Unermessliche steigen würde, wenn der Staat einfach das benötigte Geld drucken würde. Es gibt keine Inflation durch Geldschöpfung, sondern nur durch Überproduktion von Geld. Und weil es viele Stellschrauben gibt, mit denen die Geldmenge geregelt werden kann, ist Inflation nicht zu befürchten – wenn die Stellschrauben korrekt benutzt werden…
    Es ist auch eine Lüge, dass Inflation, also Preissteigerung, für ein Funktionieren eines Marktes notwendig sei. Die letzten 30 Jahre und ganz besondert die letzten zehn haben bewiesen, dass der propagierte Markt in der derzeitigen Weise nicht funktioniert und Schäden verursacht, die um Potenzen höher sind, als der gewonnene Nutzen.
  • Private Interessen bestimmen nicht mehr über staatliche Entscheidungen und über gesellschaftliche Notwendigkeiten, weil sie keinen Rückzahlungs- und Zinsdruck mehr ausüben können.
  • Der Nationalstaat gewinnt wieder seine Souveränität über die nationalen Angelegenheiten und fremde Einflüsse können abgewiesen werden. Das bedeutet ausdrücklich NICHT, dass damit auch eine Abschottung und ein Rückzug aus internationalen Beziehungen gefordert oder auch nur gewünscht sei. Es ist aber nicht hinnehmbar, dass amerikanische Konzerne entscheiden, wie wir in Deutschland unsere Wasserversorgung organisieren oder unsere Mietwohnungsbestände verwerten und herunterwirtschaften, bis sie entwertet sind.
  • Es wird unterbunden, dass durch private Geldschöpfung die Geldmenge und dadurch die Machtkonzentration in wenigen privaten Händen dazu führt, dass Staaten ihre nationalen Befugnisse verlieren und Demokratie untergraben wird. Es kann und darf nicht sein, dass ein IWF oder andere außerstaatliche Organisationen darüber entscheiden dürfen, auf welche Weise eine Gesellschaft ihr Funktionieren organisieren will.
  • Private Geldschöpfung kann sich nicht länger an gesamtgesellschaftlichen Schulden bereichern und Geld vom Steuerzahler in privates Eigentum fließen lassen.
  • Reales Geld stützt reale Wirtschaft.
  • Theoretisches/virtuelles/elektronisches Geld kann nicht mehr illegal in reales Geld umgewandelt werden, indem private Banken Geld verleihen, das es gar nicht gibt.
    Geldmengen und deren Auswirkungen können gezielt in gesellschaftlich erwünschte, sinnvolle und nützliche Vorhaben gelenkt werden.
  • Wir kaufen unsere eigene Infrastruktur zurück.
  • Wir geben unser Geld für unsere Angelegenheiten aus und nicht länger fremdes Geld für fremde Interessen, das wir dann auch noch an Fremde zurückzahlen müssen.
  • Notwendige Leistungen der öffentlichen Krankheitsversorgung und Gesundheitspflege können allesamt kostenfrei für jedes Mitglied der Nationalgesellschaft (entsprechend der heutigen gesetzlichen Krankenversicherung) zur Verfügung gestellt werden. Wer individuell spezielle Mehrleistungen will, soll sich zusätzlich privat versichern.
    Der Staat bezahlt direkt mit seinem eigenen Geld und nimmt über die staatlichen Leistungsträger zumindest einen Teil selbst wieder ein → Geldmengensteuerung.
  • Steuern auf Arbeitseinkommen können komplett ersatzlos gestrichen werden. Dadurch gäbe es auf einen Schlag keine Schwarzarbeit mehr.

Aber selbstverständlich gibt es auch
Nachteile:

  • Die meisten Menschen haben keine oder eine nur sehr ungenaue Bildung zum Thema Geld und glauben religionsähnlich den propagierten Regeln und Gesetzen und sind fest überzeugt, dass diese, quasi Naturgesetzen gleich, unabänderlich und allgemeingültig und vor allem korrekt dargestellt sind.
    Professoren, Nobelpreisträger, Wirtschaftsjournalisten und »Finanzwissenschaftler« können nicht irren.
  • Die etablierte (Finanz-)Macht wird sich mit Zähnen und Klauen gegen solcherart Änderungen zur Wehr setzen. Auch durch illegale Mittel, bis hin zu sehr realen kriegerischen Auseinandersetzungen. Morde durch Drohnen sind heutzutage leicht durchführbar und die Täter schwer zu ermitteln und zu überführen, wenn sie sich nicht völlig blöd anstellen.
  • Leute wie ich, die dem Machtgefüge gefährlich erscheinen mögen, werden verleumdet, kriminalisiert und zensiert und wenn das nichts hilft, beseitigt. In der langen Geschichte der sogenannten »menschlichen Zivilisation« gibt es dafür hunderttausende Beispiele.
    Da gibt es in Deutschland z. B. einen hochrangigen Steuerfahnder, der gegen »Großkopferte« vorgehen wollte und weil das unerwünscht ist, wird er mal kurzerhand für geistesgestört erklärt und für Jahre in der Anstalt weggesperrt und kommt nur deshalb frei und wird vollständig rehabilitiert, weil er »draußen« ausdauernde und mutige Unterstützer und Verteidiger hatte.
  • Die meisten Menschen haben Angst vor dem Neuen, weil das Neue immer auch Unwägbarkeiten in sich trägt. Was ich kenne, mit dem komme ich zurecht. Das Neue könnte unbekannte Gefahren mit sich bringen, die ich nicht einschätzen kann und vor denen ich mich deshalb fürchte – ob das begründet ist oder nicht, spielt keine Rolle. Angst ist immer real.
  • Das Fehlen von Leidensdruck in Form von massenhafter Verelendung verhindert den Mut, Neues zu versuchen. Uns geht’s zu gut.
  • Um diese Variante zu realisieren, müssen sehr viele neue Gesetze erlassen werden und es müssen sehr viele organisatorische Dinge erledigt werden. Der Aufwand für die Umsetzung wäre sehr hoch und wahrscheinlich nicht kurzfristig durchführbar – jedenfalls nicht bei den derzeitigen Entscheidungs- und Organisationsstrukturen. Für schnelles Handeln brauchen wir entweder einen »starken Mann« oder sehr hohen Druck vom Volk – beides ist nicht ansatzweise zu sehen, leider.

 

Zweite Variante (Rang zwei auf meiner Liste):

Auf alle Finanztransaktionen wird eine Steuer von 1 % erhoben, wenn bei dieser Transaktion das Geld den Besitzer wechselt – das Abheben von eigenem Geld vom eigenen Konto oder das direkte Einzahlen von Geld auf das eigene Konto sind davon also ausgenommen.

Diese Variante spült so viel Geld in die Kassen, dass wir uns über Staatsfinanzen keine Sorgen machen müssten.

[Nachtrag: Dazu habe ich einen Artikel geschrieben, der genau diese Frage näher beleuchtet: »Lass uns mal wieder über Geld reden«.]

Hier eine beispielhafte Berechnung aus der Schweiz (Für Zahlen, die sich auf Deutschland beziehen, wäre ich sehr dankbar!):

»Das bedingungslose Grundeinkommen für alle wäre über eine Mikrosteuer auf dem gesamten Geldumlauf zu finanzieren. Der Zürcher Banquier Felix Bolliger (er selbst bezeichnet sich bescheiden als Finanzunternehmer) verfasste eine Studie, mit der er eine solche Mikrosteuer für den Zahlungsverkehr vorschlägt.«
http://www.haelfte.ch/index.php/newsletter-reader/items/BGE_Mikrosteuer.html

Vorteile:

  • Trägt zur Eindämmung von immer schnelleren Hochfrequenzhandelsvorgängen bei, die kein Mensch mehr unter Kontrolle hat. Selbst die Finanzjongleure haben doch keine Ahnung mehr, was da alles durch ihre Computer walzt.
  • Die Steuer ist zwar mit einigem technischem Aufwand verbunden, kann aber automatisiert erhoben werden.
  • Sie kann national realisiert werden, denn es finden auch genug Transaktionen ins Land hinein und aus dem Land heraus statt – selbst wenn die Frankfurter Börse nach Sonstwo auswandert…
  • Wenn wir damit beginnen und sichtbar wird, wie viel Geld da überhaupt unterwegs ist und wie leicht Staatsausgaben finanziert werden können, werden andere Staaten sehr schnell nachziehen.
  • Staatsschulden sind in Zukunft nicht mehr notwendiges Übel. Obwohl sie das auch heute nicht wirklich sein müssten…
  • Leichte Umsetzung, weil die Einrichtungen, die Finanztransaktionen durchführen, einfach per Gesetz zur Durchführung der notwendigen Maßnahmen verdonnert werden können. Sollen sie sich doch die Kosten für den Aufwand von ihren Kunden über Gebühren erstatten lassen. Die Kosten für Erfindung, Entwicklung und Einbau von Sicherheitsgurt, Katalysator und Airbag müssen doch auch die Autokäufer bezahlen.
  • Steuern auf Arbeitseinkommen können wahrscheinlich ersatzlos gestrichen werden. Dann gäbe es auf einen Schlag keine Schwarzarbeit mehr.

Nachteile:

  • heftige Gegenwehr der Mächtigen der Finanz»industrie«
  • heftiger Widerspruch von allen, die am Hochfrequenzhandel verdienen und von allen, die sich als »Steuervermeider« betätigen
  • technisch-organisatorische Nachteile: keine ernstzunehmenden

Variante drei – am häufigsten diskutiert und am langweiligsten:

Mein Vorschlag dazu ist in meinem früheren Artikel »Und es funktioniert doch!« nachlesbar.
Die Auswirkungen habe ich in den nachfolgenden Artikeln »35 Millionen Bessergestellte« und »Das BGE als Freund der Unternehmer« angerissen.

Vorteile:

  • Sehr direkt realisierbar.
  • »Das Rad« muss nicht neu erfunden werden. Alle notwendigen Werkzeuge sind vorhanden – nur die Werte müssen geändert werden.
  • Keine sehr große Anpassungsleistung der Menschen nötig – das System an sich ist bekannt.
  • Das Steuersystem würde deutlich übersichtlicher und leichter verständlich.
  • Dadurch leichtere Akzeptanz einer relevanten Mehrheit.

Nachteile:

  • bürokratischer Aufwand nur wenig geringer, als heute
  • dadurch weiterhin relativ hohe Kosten und geringe Flexibilität
  • Steuergesetzgebung wird übersichtlicher, bleibt aber vielfältig
  • heftige Gegenwehr der Reichen und der »Steuervermeidungsgehilfen«

Am Schluss bleibt nur festzustellen, dass ganz grundsätzlich die Finanzierung eines Grundeinkommens kein wirkliches Problem ist. Das »Grundeinkommen-Habenwollen« ist der entscheidende Knackpunkt.

Da können medienwirksame Professoren behaupten, was sie wollen – vernünftigen Diskussionen mit diskussionsfesten Befürwortern haben sie sich noch nie gestellt und ihre Argumente, dass eine Finanzierung eines Grundeinkommens nicht machbar sei, halten keiner eindringlichen Prüfung stand – keiner.

Viel bedeutsamer, als die Diskussion ums Geld, ist die unbedingte Durchsetzung der Kriterien für ein bedingungsloses Grundeinkommen, die ich oben in meinem Textentwurf zum Verfassungs-Grundrechtartikel eingebaut habe (hier in meiner Neufassung von 2019):

»Ein Grundeinkommen ist eine Lebensgrundlage, die eine gesellschaftliche Gemeinschaft jedem ihrer Mitglieder vorbehaltlos gewährt. Es soll

  • als individueller und dauerhaft garantierter Rechtsanspruch
  • die Existenz sichern und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen sowie
  • ohne Bedürftigkeitsprüfung,
  • ohne Zwang zu Arbeit oder anderen Gegenleistungen und
  • unabhängig von anderen Einkommensarten
  • unbefristet in regelmäßigen Abständen
  • zur freien Verfügung in aktuell gültiger gesetzlicher Währung

ausgezahlt werden.
Wenn jemand aufgrund von Krankheit, Behinderung oder einer anderen besonderen Situation einen notwendigen zusätzlichen Bedarf hat, der über das allgemeine Grundeinkommen hinausgeht, muss dieser individuelle Mehrbedarf als Sozialleistung gewährt werden – dann aber nur auf Antrag und mit Nachweis der Notwendigkeit.«

Ich teile die Ansicht von Richard David Precht, dass wir (für viele) überraschend schnell ein Grundeinkommen bekommen werden, aus einer Ecke, die wir nicht vermuten würden: von Seiten der Regierung – ganz »freiwillig«.

Leider besteht genau deshalb die sehr große Gefahr, dass wir ein Grundeinkommen bekommen, das den Kriterien nicht entsprechen wird. Das muss verhindert werden und wir müssen in der Grundeinkommensbewegung endlich Einigkeit erreichen und gemeinsam mit lauter Stimme diese Kriterien fordern.

Und vor allem müssen wir ein »anderes«, ein »falsches« Grundeinkommen aktiv ablehnen – das wird noch sehr viel schwerer werden, als überhaupt erstmal eins zu bekommen!

Die ganzen Streitereien um die Finanzierung – gerade und erst recht innerhalb der Gruppe der Grundeinkommensbefürworter – führt dazu, dass es ein anderes Grundeinkommen werden wird, als wir für richtig halten.

Darüber schreibe ich noch einen kommenden Artikel [»Du nimmst mir nichts weg«].

Viele Grüße
Detlef Jahn

Nachtrag:

Baukje Dobberstein hat einen interessanten Artikel geschrieben, »Bedingungsloses Grundeinkommen über Konsumsteuer-Finanzierung«, der sich mit der Frage einer Konsumsteuerfinanzierung befasst (ich hatte dazu ja auch schon mal was geschrieben) – ich finde den Artikel sehr interessant und gebe deshalb eine Leseempfehlung.
Vielen Dank, Baukje.