Bereits in meiner »Replik auf Vater: Was steckt hinter dem bedingungslosen Grundeinkommen?« habe ich kurz angerissen, dass auch Strafgefangene große Ungerechtigkeit erfahren, weil sie keine angemessene Bezahlung für ihre im Strafvollzug geleistete Arbeit erhalten:
Vater:
1. Eine Möglichkeit wäre, den etwa 200 000 nicht in den sogenannten ersten Arbeitsmarkt Vermittelbaren, die in Behindertenwerkstätten Nützliches tun, ein Grundeinkommen zu bezahlen, das die heutige Grundsicherung und anderes ersetzt und so den Behinderten unseren Stolz auf deren Leistung und auch Anerkennung signalisiert. Das würde auch die Betroffenen auf sich und ihre Arbeit stolz machen. Leider wird an diese naheliegende Möglichkeit kaum gedacht.Ich:
Oder man gewährt den Behinderten einen fairen Arbeitslohn und die Auftraggeber der Werkstätten bereichern sich weniger an den Dumpinglöhnen.
Das Selbe trifft übrigens auf Strafgefangene zu, die für ihre Arbeit einen fairen Lohn verdient haben. Denn wenn sie zusätzlich zu ihrem Freiheitsentzug auch noch als Sklaven beinahe kostenlos Arbeit verrichten müssen, entspricht das einer unzulässigen Doppelbestrafung.
Wir müssen also gar nicht in ferne Länder sehen – die Sklavenhaltung und deren Ausbeutung findet täglich im eigenen Land, vor unserer Haustür statt.
Ein (bedingungsloses) Grundeinkommen (bGE) würde mehrere Vorteile bieten:
- Der/die Strafgefangene kann vom Grundeinkommen seine Unterbringung und Verpflegung (wenigstens teilweise) bezahlen. Das wäre eine Entlastung der Staatskasse.
- Der/die Strafgefangene kann den Rest seines Grundeinkommen ansparen, um dann bei Entlassung einen besseren Start zu haben, z. B. bei Einrichtung einer neuen Wohnung und für Kleidung.
- Der/die Strafgefangene verbleibt nach dem Strafvollzug nicht zwangsweise weiter in den »Mühlen der Obrigkeit« gefangen, weil er dank bGE nicht gezwungen werden kann, schlechte Arbeit anzunehmen.
- Der/die Strafgefangene hat nach Verbüßung der Strafe das Recht, wieder ein »normales Leben« führen zu dürfen und kann sein Leben dank bGE selbstbestimmt gestalten und muss nicht weiterhin fremdbestimmt »durch Reifen springen«, die andere ihm hinhalten.
- Abhängigkeiten von anderen Kriminellen werden aufgelöst, weil jeder seinen eigenen Lebensunterhalt verfügbar hat. Auch Zwangsprostitution wird erschwert.
- Der Anreiz für Beschaffungskriminalität sinkt durch ein Grundeinkommen sehr stark, weil es keinen echten Mangel an Existenzsicherheit mehr gibt – wenn es ein echtes bedingungsloses Grundeinkommen ist,
nach Definition des Netzwerkes Grundeinkommenentsprechend meiner Neudefinition Grundeinkommen 2019. - Einige andere Arten von Kriminalität können (teilweise sehr stark) sinken (Körperverletzung, Fremdenfeindlichkeit, Radikalität in vielen Bereichen), weil deren Ursachen durch ein Grundeinkommen sehr viel schwächer wirken oder sogar ganz wegfallen.
Aus »Du nimmst mir nichts weg«:
Es gibt eine starke Angst beim »normalen Durchschnittsmenschen«, nämlich die Angst, eingeschränkt zu werden, beim materiellen Auskommen, bei den Bildungsmöglichkeiten, der bezahlten Erwerbsarbeit, bei Unterstützung in Notlagen.
Diese Angst steckt tief in uns drin und ist uns seit vielen Generationen anerzogen worden, weil genau diese Angst verhindert, dass wir unsere wahren Feinde erkennen. Stattdessen lassen wir uns aufeinanderhetzen und uns in Kleinigkeiten gegenseitig zermürben. Dabei verlieren wir unser eigentliches Ziel aus den Augen und sind deshalb »dem System« nicht gefährlich – solange wir uns miteinander streiten, werden wir den Mächtigen nicht gefährlich.
Wir lassen uns Angst einjagen vor Ausländern, die uns Arbeitsplätze wegnehmen, damit wir nicht merken, dass diese Arbeitsplätze selbst für uns gar nicht reichen würden.
Wir lassen uns einreden, die Fremden würden unsere Sozialsysteme überlasten und würden doch ohne deren Anwesenheit keinen einzigen Euro mehr in der Tasche haben.
[…]
Wir müssen lernen, ihnen zu sagen [Anm.: den bGE-Zweiflern]: »Niemand will Dir etwas wegnehmen, sondern wir wollen dass Du mit Hilfe des Grundeinkommens freier (und deshalb besser) leben kannst.«
Wir müssen ihnen erklären, dass wir nicht glauben, sondern wissen, »Dass Du mir nichts wegnimmst, wenn Du einen anderen Lebensweg gehst, als ich, indem Du (erst einmal) keiner bezahlten Erwerbsarbeit nachgehst, weil Du vielleicht überhaupt erst einmal zu Dir finden musst.«
[…]
Und wer weiß – Mancher, den wir als faule Sau einschätzen, wird sich mit einem Grundeinkommen als ein wertvolles Mitglied unserer Gemeinschaft erweisen, weil ihn das Grundeinkommen überhaupt erstmalig in die Lage versetzt, sein Können und/oder sein Wissen unter Beweis zu stellen.»Es ist nichts Großartiges daran, besser zu sein als jemand anderes.
Wahre Größe zeigt sich darin, besser zu sein, als man selbst vorher war.« (Plakat in einer Klasse)Geht respektvoll miteinander um, denn ihr wollt respektvoll behandelt werden.
Strafgefangene haben nach ihrer Entlassung mit vielen Problemen zu kämpfen, die es ihnen sehr oft einfach unmöglich machen, ein »normales Leben« zu führen – was immer ein »normales Leben« sein soll.
Sie haben keine oder bekommen nur sehr wenig echte Hilfe bei Bearbeitung und Erledigung von Behördenkommunikation, bei Fragen rund um den normalen Alltag, wie Energieversorgung, Mietvertrag oder Arbeitsrecht.
Mit einem bGE wird es könnte es mehr Sozialarbeiter geben, die professionell Hilfe leisten können bei Behördengängen, bei Alkohol- und Drogenentzug, bei psychologischen Problemen, beim (Wieder)Erlernen von Alltagsnotwendigkeiten, wie z. B. regelmäßiges und pünktliches Einhalten von vereinbarten Arbeitszeiten, Zubereitung von gesunder Nahrung, Haushaltsarbeiten, den umsichtigen Umgang mit Geld oder der Suche nach einem Arzt.
Mehr Menschen in der Nachbarschaft werden sich finden, die nicht nur »guten Nachbarn«, sondern auch und besonders ehemaligen Strafgefangenen bei kleineren Alltagsproblemen helfen – schon aus Selbstschutz, weil sie in ihrer Nachbarschaft Ruhe und Frieden haben wollen und es einfacher ist, bei diesen »Nachbarschaftsfrieden erhaltenden Maßnahmen« aktiv und vorbeugend Einfluss zu nehmen, anstatt einem Schaden hinterherreparieren zu müssen. Das können Hilfen sein beim Umzug, bei handwerklichen Arbeiten oder bei Transportaufgaben – Nachbarn helfen Nachbarn.
Ganz besonders ehemalige Strafgefangene sehen sich mit vielen Problemen konfrontiert, die ihnen unlösbar erscheinen – die für »normale Menschen« keinerlei Fragen aufwerfen.
Wie soll ein Mensch tatsächlich »resozialisiert« werden, wenn er in seinem Umfeld keinerlei Unterstützung, sondern nur Ablehnung und Ausgrenzung erfährt?
Wie sollen wir friedlich zusammenleben, wenn wir uns um unsere Nächsten nicht kümmern?
»Die Gesellschaft« kann »ruhiger schlafen«, wenn weniger Kriminalität herrscht und wenn dabei ein Grundeinkommen helfen kann, ist schon allein das Grund genug, es einzuführen.
Außerdem sparen wir enorme Kosten. Denn wenn es weniger Kriminalität gibt, müssen weniger »Fälle« untersucht, aufgeklärt und vor Gericht verhandelt werden. Wir müssen weniger »Gefangene machen« und diese dann versorgen, »sicher verwahren« und bewachen. Und wir müssen weniger verursachte Schäden reparieren. Damit dürften die Einsparungen durch geringere Kriminalität sogar deutlich höher ausfallen, als die Kosten eines bedingungslosen Grundeinkommens für die heutigen und möglichen künftigen Strafgefangenen.
Der gesellschaftliche Nutzen steigt sogar noch weiter, weil mehr Menschen positive Beiträge leisten können, wenn weniger Menschen kriminell werden (müssen).
Nicht jeder, der Fehler gemacht hat, ist deshalb ein »schlechter Mensch« – und wer weiß denn schon, ob in manch einem Kriminellen vielleicht doch ein Nobelpreisträger oder wenigstens ein talentierter Handwerker, ein kreativer Künstler oder fleißiger Bauer steckt.
Denk darüber nach und schreib mir unten deine Meinung dazu auf – ich freue mich sehr darauf, wie du das siehst.
Viele Grüße
Detlef Jahn
[Update 15.3.2021: kleinere Korrekturen – keine inhaltlichen Änderungen.]
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