17: Fragen und Antworten zum Bedingungslosen Grundeinkommen – Teil 5

Nachdem ich in längeren Artikeln ein paar Dinge zum bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) gesagt habe, möchte ich heute ein paar Fragen aufnehmen, die ich bei verschiedenen Gelegenheiten in Diskussionen rund ums BGE gelesen und gehört habe. Gelegentlich wird ziemlich ausführlich und auch sehr sachlich diskutiert, aber oft gehen die Emotionen hoch und die Diskussion ist wenig hilfreich. Ich werde ein paar Fragen und Meinungen aufgreifen und beantworten, die immer wieder in Varianten auftauchen.

Bitte gib Nachricht, wenn du anderer Meinung bist, eine Ergänzung hast oder falls ich etwas ganz falsch gemacht haben sollte. Und falls dir das Thema wichtig ist, verlinke meinen Blog doch in deinem Blog oder auf deinem Profil, wo immer du dich oft und gerne ›im Netz‹ aufhalten magst, damit die Diskussion weitergetragen wird. Das ist das Wichtigste überhaupt. Herzlichen Dank für deine Teilnahme.


Frage/Meinung: Ein Punkt der mir Sorgen macht, ist die Höhe des BGE´s. Hier wird ja meistens ein Betrag von ca. 1000 € pro Monat diskutiert. Würde jeder Mensch diesen Betrag bekommen, würde die weltweite Wirtschaftsleistung explodieren und unsere natürlichen Lebensgrundlagen wären in kürzester Zeit zerstört. Warum sollte aber irgendein Mensch auf der Welt weniger bekommen als wir hier?

Antwort: Weil woanders andere Bedarfe vorhanden sind und weil das dortige Geld eine andere Kaufkraft hat. Überall sollen die Kriterien des bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) gelten. Ob das einem (deutschen) Wert von 1.000 € entspricht oder mehr oder weniger ist, muss in der jeweiligen Gesellschaft diskutiert und verabredet werden.

Ob die Wirtschaftsleistung mit oder wegen eines BGEs weltweit dann explodiert oder auf ähnlichem Niveau bleiben kann, wie sie heute ist oder vielleicht sogar sinkt, ist ein Ergebnis, das offen ist und nicht vorhersehbar.

Und dann ist noch diskutabel, ob denn vielleicht die möglicherweise explodierende Wirtschaftsleistung eben nicht für Smartphones und private Pkws, Monokultur-Palmölplantagen, genmanipulierte Sojapflanzen und Plastikverpackungen erbracht wird, sondern für menschenwürdige und faire Lebensbedingungen für Jedermann auf der ganzen Welt.

›Wirtschaftsleitung‹ ist in den meisten Köpfen leider gleichlautend mit ›Warenproduktion‹.

Aber das ist ein fataler Irrglaube. Wir können entscheiden, worin ›Wirtschaftsleistung‹ bestehen soll – das kann auch Naturerhaltung sein, nachdem wir gelernt haben, dass nicht ein Smartphone wichtig ist, sondern freier Zugang zu sauberem Trinkwasser und frische, naturbelassene Nahrungsmittel, denn nur solche sind auch ›Lebensmittel‹.

Wenn wir uns darauf besinnen, die Kraft der Sonne und des Wassers effizienter zu nutzen und aufhören, durch Verbrennung Energie zu erzeugen, wenn wir Erdöl nicht einfach nur in ›Plastik‹ wandeln, um damit einzelne Gurken zu verpacken, sondern in sinnvolle und vor allem langfristig verwendbare Produkte und Materialien, dann muss eine ›explodierende Wirtschaftsleistung‹ nicht zwangsläufig den Schaden an der Natur vergrößern.

Auch dabei kann ein BGE helfen: Die Menschen durch die Befreiung vom nackten Existenzkampf in die Lage zu versetzen, über ihr Handeln nachzudenken und sich für andere Wege zu entscheiden, als weiter dem Geld und dem Konsum zu dienen.

»Die besten Dinge im Leben sind nicht die, die man für Geld bekommt.« (Albert Einstein)


Frage/Meinung: Man kann nicht auf einen Schlag das Steuer- und Sozialsystem komplett umkrempeln.

Antwort: Gegenfrage: Weshalb nicht? Man überlegt sich, was man will und beschließt ein entsprechendes Gesetz und fertig ist der Lack. Wenn heute entschieden wird, dass ab morgen eine Pkw-Maut gelten soll, geht das doch auch ›auf einen Schlag‹.

Was ist kompliziert an einem Gesetz, das festlegt, dass jeder Euro Einkommen, egal aus welcher Quelle er stammt, mit einer Steuer in Höhe …x… belegt wird?

Weshalb kommen von den Verhinderern und Bedenkenträgern immer Argumente, die einer ernsthaft-vernünftigen Betrachtung nie auch nur eine Sekunde standhalten können?

Sind wir so dämlich, weil wir uns das gefallen lassen oder sind »die« so unverschämt, dass wir zu verblüfft sind, angemessen zu reagieren und die Verhinderer und Bedenkenträger zum Teufel jagen – »frech kommt weiter«?!

»An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern.«

(Erich Kästner)


Frage/Meinung: Wird durch den Verzicht auf die Verpflichtung zur Arbeitsaufnahme die gesellschaftliche Ausgrenzung von ALG II- und Sozialhilfeempfängern und anderen Bedürftigen weiter vertieft?

Antwort: Ich bin fest überzeugt, dass durch ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) gegenüber heute eine bessere gesellschaftliche Stellung von Menschen möglich ist, die bisher von sozialen Sicherungsmechanismen abhängig sind.

Soziale Ausgrenzung findet zuerst in den Köpfen statt, bevor sie real wird.

Ein BGE kann nur erfolgreich umgesetzt werden, wenn wir lernen, unseren Nachbarn als Menschen und als gleichwertiges (!) Mitglied unserer Gesellschaft anzuerkennen. Wenn wir verstehen, dass Neid, Konkurrenz, Missgunst und Verachtung nicht zum gewünschten Ziel führen, das wohl die meisten Menschen positiv bewerten würden: friedlich miteinander auszukommen. Der alte Spruch »Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem Nachbarn nicht gefällt.« ist durchaus real und als Mahnung zu verstehen.

Gegenseitige Achtung und Anerkennung ist Grundlage für ein friedliches Zusammenleben. Wenn ich das verstehe und annehme, fällt es mir leichter, Menschen nicht zu verurteilen, die eine andere Lebensweise leben, als ich. Ich möchte ja auch, dass Andere anerkennen, dass ich meine eigenen Lebenswege gehe.

Und um dem Anderen zugestehen zu können, dass er für sein Lebensziel eben keiner bezahlten Erwerbsarbeit nachgeht, sondern vielleicht anderweitig arbeitet oder meinetwegen auch (scheinbar) gar nicht, muss ich ihn zuerst als Menschen anerkennen und akzeptieren und ihm sein Lebensrecht zugestehen. Denn darauf läuft es letztlich hinaus: Gestatte ich dem vermeintlich Faulen, am Leben zu bleiben?

Ob ich ihm nun den Lebensunterhalt verweigere, indem ich ihm die ihm eigentlich gesetzlich zustehenden Leistungen vorenthalte, weil er einer vermeintlichen Arbeits- oder sonstiger »Mitwirkungspflicht« nicht nachkommt, oder ob ich ihm mit einem Knüppel gleich den Schädel einschlage, ist dasselbe, wenn man es konsequent zu Ende denkt.

Und es sei die Frage gestattet, ob es denn vielleicht konkrete Gründe gibt, weshalb der Verweigerer überhaupt erst zum Verweigerer geworden sind? Vielleicht braucht er Hilfe, statt Zwang?
Vielleicht fühlt er sich in die Enge getrieben, weil ihn niemand nach seinen Wünschen fragt?
Vielleicht hat er Versagensangst und hat sich deshalb zurückgezogen?
Vielleicht lehnt er nicht ›das Arbeiten‹ an sich, sondern nur den unerbittlichen Konkurrenzkampf ab?
Vielleicht ist ihm Geld an sich nicht so wichtig, sondern zuerst dass er anerkannt und angenommen wird, so als Mensch, ganz grundsätzlich?

Und vielleicht ist ja der angeblich Faule nur faul, weil er nicht machen will, was andere ihm vorschreiben, sondern viel lieber eine Arbeit, die er als sinnvoll erachtet, die aber vielleicht gerade nicht bezahlbar ist, weil kein in Geld abrechenbarer Vorteil oder sogenannter Mehrwert aus ihr erwächst – weil sie sich nicht in ›Wertschöpfung‹ messen lässt?

Was ist besser:

  • Panzer bauen oder Obdachlose bei Behördengängen unterstützen,
  • Drohnen lenken, um Menschen zu töten oder Kindern beim Rechnen lernen helfen,
  • Gift herstellen und verkaufen, das auf Äckern versprüht wird und das wir dann mit der Nahrung aufnehmen oder die kranken Eltern pflegen,
  • Bauern durch genmanipuliertes Saatgut und Knebelverträge zu monopolabhängigen Saatgutsklaven machen oder Kinder erziehen?

Wir entscheiden, was wichtig und gut ist und wir entscheiden, ob wir einen Anderen als Menschen annehmen und seine Rechte wie unsere anerkennen oder ob wir uns als Feind anderer Menschen sehen wollen.

Und eins sollten wir bei diesen Überlegungen nie vergessen:

»Was du nicht willst, das man dir tu‘,
das füg‘ auch keinem Andern zu!«

Ich freue mich auf deine Meinung. Und bitte schick mir deine Fragen oder die von Anderen, denn nur auf gute Fragen kann man gute Antworten geben…

Viele Grüße
Detlef Jahn

 

2 Gedanken zu „17: Fragen und Antworten zum Bedingungslosen Grundeinkommen – Teil 5“

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