Dies ist die Fortsetzung von »8 Maßnahmen, die einen Neustart ermöglichen«.
Wir sind die erste Generation, die über das nötige Wissen und über genügend materielle und technologische Möglichkeiten verfügt – aber wir sind die letzte Generation, die noch aus freier Entscheidung handeln kann, um Schlimmstes zu verhindern.
Wir müssen handeln – für verhandeln ist keine Zeit mehr, wenn wir den ökologischen Kollaps der Erde noch verhindern wollen.
Die Ursachen sind bekannt und können mit wenigen grundsätzlichen Entscheidungen zumindest erst einmal gebremst werden – aber um eine relevante Wirkung zu zeigen, ist eine schnelle, entschlossene Vollbremsung nötig.
In der gesamten Geschichte ihrer Existenz haben die Großunternehmen und vor allem die Finanzindustrie gezeigt, dass sie ohne Zwang von Seiten der Gesetzgebung niemals freiwillig zum Zwecke des Gemeinwohls, des Umweltschutzes oder der Menschenrechte beitragen. Der eigene Vorteil und die Maximierung des eigenen Profits waren und sind einziges Handlungsziel der privaten Wirtschaft. Keine Errungenschaft, die wirklich dem friedlichen Gemeinwohl diente, Menschen vor Verletzung schützte oder die Umwelt schonte, wurde jemals freiwillig und aufgrund eigener aktiver Initiative von privaten Wirtschafts- oder Finanzunternehmen eingeleitet. Immer mussten Sie gesetzlich gezwungen werden. Sicherheitsgurt und Katalysator im Auto sind nur zwei aktuelle Beispiele. Erst als sie gesetzliche Vorschrift wurden, kamen sie in Großserie zum Einsatz. Viele technische Errungenschaften wurden entwickelt, aber nie eingeführt, weil sie den Profit nicht vergrößert hätten – dass sie ökologisch positiv gewirkt oder die Sicherheit verbessert hätten, war egal.
Und weil das bisher immer so war, muss die Großindustrie und vor allem die Finanzwirtschaft eingehegt werden, um den Menschen und unseren Gesellschaften die nötigen Grundlagen zu geben, damit sie in eine positive Richtung aufbrechen und ein Lebens-, Organisations- und Wirtschaftssystem finden und entwickeln, das den Herausforderungen des Klimawandels entgegentreten kann, Lösungen findet für die Ernährung der weltweiten Bevölkerung und die Auswirkungen beseitigt und heilt von hunderten Jahren Kolonialisierung und daraus erwachsener und bis heute anhaltender Ausbeutung, Unterdrückung und Umweltzerstörung.
Ich fordere die gesetzgeberischen Organe dazu auf, folgende weiteren Entscheidungen in kürzester Frist zu realisieren – am sinnvollsten zeitgleich und parallel, auch mit den »8 Maßnahmen, die einen Neustart ermöglichen« – und noch besser gemeinsam mit anderen Ländern, nicht nur in Europa:
9 Bezahlung von Erwerbsarbeit
Innerhalb jeder Hierarchie von Erwerbsarbeitsvergütung, also innerhalb einer Unternehmung, Einrichtung oder Organisation, die für geleistete Arbeit ein (regelmäßiges) Entgelt zahlt, darf die höchste Entgeltstufe, inkl. sämtlicher direkten und indirekten Bezahlungen, geldwerten Vorteile und Vergütungen aller Art, insgesamt nicht mehr als 500 % der jeweilig niedrigsten Entgeltstufe betragen. In der Gesamtsumme müssen sich mögliche temporäre Schwankungen und Abweichungen innerhalb eines Jahres als Monatsmittelwerte auf die Vorgabewerte ausgleichen.
Bei Firmen oder anderen Organisationen mit Teilen an mehreren Standorten, zählt die gesamte Vergütungshierarchie aller nationalen Standorte gemeinsam als eine.
Jeder Verstoß wird bestraft mit Rückzahlung in voller Höhe aller Beträge, die für den fraglichen Zeitraum den zulässigen Maximalbetrag überstiegen. Diese Rückzahlungen werden vollständig und zu gleichen Teilen an die gesamte Entgelthierarchie ausgezahlt. Die selbe Summe zahlt das Unternehmen, die Einrichtung oder Organisation zusätzlich, ebenso zu gleichen Teilen an alle Mitglieder der Entgelthierarchie.
Im ersten Wiederholungsfall zahlt das Unternehmen, die Einrichtung oder Organisation hierzu noch einmal zusätzlich die selbe Summe, ebenso zu gleichen Teilen an alle Mitglieder der Entgelthierarchie.
Der dritte Verstoß wird bestraft mit vollständiger Zerschlagung des Unternehmens/der Organisation und vollständiger Enteignung des gesamten Vermögens des Unternehmens/der Organisation selbst und deren Verantwortlichen persönlich.
Begründung:
Eine der Hauptursachen für Unzufriedenheit, gegenseitige Vorurteile, schlechte Motivation und schwächere Arbeitsleistung, als möglich wäre, ist der meist nicht nachvollziehbare Unterschied bei Arbeitsentgelten – vor allem in großen Unternehmen und Organisationen.
Entgelt für Arbeitsleistung ist schon sehr lange nicht mehr den wahren gegenseitigen Bedeutungen der verschiedenen Tätigkeiten füreinander angemessen, sondern bezieht sich schon lange auf »Marktwerte«, die sich an sehr theoretischen und abstrakten Gegenüberstellungen orientieren.
Arbeitsentgelte dürfen nicht länger dazu dienen, Machtsysteme zu repräsentieren, zu schützen und zu verstärken.
Was wäre der Chefarzt ohne die Putzfrau?
Was wäre der Konzernlenker ohne die Arbeiter, die die Werte überhaupt erst schaffen?
Es gibt viele Beispiele, wo Arbeiter eine Fabrik übernahmen und erfolgreich weiterführten.
Von Chefs, die sich erfolgreich an Werkbänke gestellt hätten, habe ich noch nie gehört.
Reflexartig kommt das Argument der längeren und mühsameren Bildung und des späteren Beginns des »eigenen Geldverdienens« und der höheren Verantwortung. Unterschlagen wird dabei jedoch, dass die Menschen am anderen Ende der Pyramide deutlich häufiger und schwerer erkranken, deutlich kürzer leben und auch während ihrer »besten Zeit« niemals so komfortabel leben können, wie die Hochbezahlten.
Apropos Verantwortung – der Chefarzt kann technisch so hochqualifiziert operierten, wie er will. Wenn die Putzfrau nicht genauso hochqualifiziert arbeitet, stirbt der Patient auch – nur nicht wegen schlechter Operation, sondern wegen ein paar schlechten Keimen… Wessen Arbeitsleistung ist hier also mehr wert und wer entscheidet das?!
Einen diesbezüglich sehr erhellenden Artikel habe ich schon einmal im Artikel »11: Faul – (Dumm, Faul und Gefräßig – Teil 2)« verlinkt , aber weil es hier so schön passt, empfehle ich ihn hier noch einmal eindringlich: »Sind Putzfrauen und Müllmänner wichtiger für die Gesellschaft als Banker?«.
10 Landwirtschaft
Die gesamte Landwirtschaft wird vollständig umgestellt auf biologisch-dynamische Grundprinzipien nach strengstmöglichen Kriterien, wie sie zum Beispiel nach »Demeter« oder »Bioland« zurzeit vorgegeben werden.
Begründung:
Nahrung soll uns nicht nur mit Nährstoffen versorgen und (tote) Energie liefern, sondern »Lebensmittel« enthalten sehr viele Stoffe, die uns gesund erhalten. Chemisch kompromittierte Nahrung liefert jedoch unerwünschte »Zusatzstoffe«, die nachweislich unserer Gesundheit schwere Schäden zufügen.
Die Nahrungserzeugung darf »Natur« nicht schädigen – im Gegenteil: Nahrungserzeugung muss im Einklang mit der Natur erfolgen, weil die Nahrung sonst nicht »Lebensmittel« sein kann, sondern bestenfalls Energielieferant ist. Und wenn wir die natürliche Umwelt nicht schützen und bisherige Schäden heilen, werden wir sehr bald gar nicht mehr genug Nahrung für alle haben.
Nahrungsproduktion auf ökologisch positive Weise nach biologisch-dynamischen Grundsätzen erfordert mehr Arbeitsaufwand, aber das wiederum sorgt dafür, dass mehr Menschen eine sinnvolle Beschäftigung finden können, statt im Callcenter zu sitzen und Lotterielose verkaufen zu müssen…
Nahrungsproduktion auf ökologisch positive Weise nach biologisch-dynamischen Grundsätzen erfordert nebenher viele (vor allem auch handwerkliche) Tätigkeiten, was dazu führt, dass auch dort wieder mehr Menschen sinnvolle und erfüllende Arbeit verrichten können.
Wenn Nahrungserzeugung ökologisch verträglich und nach biologisch-dynamischen Grundsätzen erfolgt, zieht das insgesamt wieder mehr regionales Wirtschaften nach sich und erzeugt neues achtsames, regionales Handeln der Menschen überhaupt.
Und wenn das passiert, werden sich wieder mehr Menschen den ländlichen Gegenden zuwenden, weil dort wieder lebenswerte Räume entstehen oder wieder neu belebt werden und der Druck auf die Städte lässt nach.
All das hilft, achtsamer, umweltbezogener und friedlicher zu leben. Und das führt zu sozialer Entspannung in der Gesellschaft – zu mehr Sicherheit, weniger Radikalität – zu einem insgesamt besseren Leben für Alle.
11 Bildung
Grundgebühren für die Einschreibung an Bildungseinrichtungen wie beispielsweise Schulgeld oder Studienbeiträge sind ab sofort verboten.
Der Zugang zu Bibliotheken ist für Jedermann uneingeschränkt und kostenlos zu ermöglichen.
Der Zugang zu speziellen Bibliotheken, wie z. B. Universitäts- und Hochschulbibliotheken oder Bibliotheken von Forschungseinrichtungen kann in der Form geregelt werden, dass Mitglieder und eingeschriebene Studierende solcher Einrichtungen bevorzugt Zugang erhalten. Der freie Zugang für Jedermann darf dadurch jedoch nicht vollständig verhindert werden. Bei übergroßem Andrang ist die Organisation so zu gestalten, dass Dritten ebenfalls ausreichender Zugang gewährt werden kann.
Später sollte der Besuch von Museen und Archiven ebenfalls kostenlos ermöglicht werden.
Begründung:
Freie Bildung (nicht nur im Sinne von »kostenlos«) darf nicht länger Privileg sein – für Niemanden und nirgends. Und ein erster Schritt zu tatsächlich freier Bildung ist der freie Zugang zu Bibliotheken, Museen und Archiven.
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Schreib mir, wenn du noch weitere Vorschläge hast – nutze die Kommentarfunktion – herzlichen Dank.
Für Fragen, Diskussionen oder Interviews stehe ich zur Verfügung.
Viele Grüße
Detlef Jahn
2 Gedanken zu „Weitere Maßnahmen für einen Neustart“