Lasst Bilder sprechen

Nachdem ich ja nun schon mehrere Artikel zum Thema »Finanzierung eines bedingungslosen Grundeinkommens« geschrieben habe, möchte ich heute nochmal ein paar Punkte aufgreifen, die häufig diskutiert werden und diese mit ein paar Grafiken verdeutlichen. Grundlage ist mein Finanzierungsmodell, das ich im Artikel »35 Millionen Bessergestellte« beschrieben habe (ich habe die Zahlen gerade neu überarbeitet).

1. Die Reichen brauchen kein Grundeinkommen!

Kann man so sehen.

Sehe ich anders: Die Reichen verdienen ein Grundeinkommen, denn sie bezahlen unseres.

Selbstverständlich bekommen sie ebenfalls das Grundeinkommen, wie alle anderen auch. Es geht ja schließlich um Gerechtigkeit und Gleichbehandlung.

Außerdem kann ja auch ein Reicher sein Vermögen verlieren und steht dann »ohne Alles« da – dann wird auch er froh sein, dass er ein Grundeinkommen erhält und nicht unter der Brücke landet.

Aber netto, also »hinten raus« bezahlen sie mehr, als sie bGE bekommen, sind also Nettozahler – und das umso stärker, je mehr Einkommen sie (neben dem bGE) erzielen.

Das ist sehr schön an Grafik 1 zu sehen: Sie zeigt die prozentualen Anteile von Einkommensteuer, Nettoeinkommen und bGE im Verhältnis zueinander bei verschiedenen Einkommenshöhen plus Grundeinkommen bei »Flat-Tax«. Alle zahlen die selbe prozentuale Einkommensteuer auf jedes Einkommen neben dem bGE, nämlich 50 % nach meinem Modell. Dieses Flat-Tax-Modell vertreten auch viele andere Befürworter.

Daraus ergibt sich und ist ebenfalls in Grafik 1 sichtbar:

2. Steuerprogression:

D. h. je höher das Einkommen neben dem Grundeinkommen ist, desto höher ist der prozentuale Anteil der Einkommensteuer am Gesamteinkommen, inkl. bGE, und gleichzeitig um so niedriger ist der Anteil des Grundeinkommens am Gesamteinkommen, inkl. bGE.

Und je niedriger das Einkommen neben dem bGE ist, desto niedriger ist der prozentuale Anteil der Einkommensteuer am Gesamteinkommen, inkl. bGE, und gleichzeitig um so höher ist der Anteil des Grundeinkommens am Gesamteinkommen, inkl. bGE.

Und das schöne dabei: Es sind keinerlei Steuertabellen nötig und es gibt keine Grenzwerte, die z. B. bei Lohnerhöhungen relevant werden, keine Steuerklassen, kein Ehegattensplitting oder andere komplizierte Berechnungen, um das Nettoeinkommen zu ermitteln – man teilt das Brutto durch zwei und hat auf der einen Seite die Steuer und auf der anderen Seite das »Netto in der Tasche«.

»Die Steuererklärung auf dem Bierdeckel« wird Wirklichkeit.

Und wie billig und einfach auf einmal Lohnabrechnungen für den Unternehmer sind: Kein kompliziertes Steuerrecht, kein teuer geschultes Personal, keine teure und komplizierte Software – Brutto durch zwei = Netto und Steuer.

Fertig.

Die Steuerberater und -vermeidungsgehilfen können sich dann endlich sinnvollen und vor allen Dingen nützlichen, möglicherweise sogar freudvollen Tätigkeiten zuwenden.

Was für eine Welt…!

Grafik 1 - Vergleich Monatseinkommen m. bGE, Eink.St. 50 % - prozentuale Anteile
Grafik 1 – Vergleich Monatseinkommen m. bGE, Eink.St. 50 % – prozentuale Anteile

3. Lohnabstandsgebot:

Es soll einen spürbaren Unterschied machen, ob Mensch einer Erwerbsarbeit nachgeht oder nicht – »Arbeit muss sich wieder lohnen!«
Dazu zeigt Grafik 2 sehr schön, dass bereits bei sehr geringen Erwerbsarbeitseinkommen stets »mehr in der Tasche bleibt« – im Gegensatz zum heutigen Sozialterror durch »Hartz IV«. Hier sind eigentlich nicht viel Worte nötig.

4. Finanzielle Verbesserung:

Hier ist zwar eine Erhöhung bei der Einkommensteuer, aber dennoch eine Erhöhung des »Netto in der Tasche« zu verzeichnen – zumindest bei der Mehrheit der Bevölkerung.

30 Millionen Menschen, die ein Einkommen (ohne bGE) von 2.500 Euro oder weniger haben, werden mehr »Netto in der Tasche« haben, als heute.

Und da sind nur die Erwerbstätigen (mit ca. 37,7 Mio.) berücksichtigt – keine Studenten, Rentner, Arbeitslose, die allesamt profitieren, nicht zu vergessen: die Kinder.

Alles in Allem profitiert also die weit überwiegende Mehrheit der Gesamtbevölkerung von der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens.

Grafik 2 - Monatseinkommen mit bGE
Grafik 2 – Monatseinkommen mit bGE

5. Umverteilung von oben nach unten:

Im Artikel »Henne oder Ei?« und dort im Abschnitt »Umverteilung« habe ich das Thema besprochen. Hier nur ein paar Stichpunkte:

  • Grafik 3 zeigt, dass die Umverteilung von oben nach unten bei meiner Finanzierungsvariante über »Flat-Tax« 50 % Einkommensteuer nur relativ gering ist.
  • Das Vermögen wird durch dieses Grundeinkommen und dessen Finanzierung nicht angegriffen. Nur das (neu dazukommende) Einkommen verringert sich ein klein wenig.
  • Eine (möglicherweise gewünschte) Umverteilung von oben nach unten darf nicht Ziel und Zweck eines Grundeinkommens sein, denn das würde dem Gleichbehandlungsgrundsatz eines bedingungslosen Grundeinkommens widersprechen und dem Gerechtigkeitssinn, den es stiften soll.
Grafik 3 - Vergleich Monatseinkommen mit bGE vs. 2018 ohne bGE
Grafik 3 – Vergleich Monatseinkommen mit bGE vs. 2018 ohne bGE

Ich würde mich sehr freuen, wenn dir die Grafiken und mein Text helfen, gut über das (bedingungslose) Grundeinkommen diskutieren zu können und wenn du eine bessere Vorstellung davon bekommst, wie ich mir die Finanzierung vorstelle.

Bitte weise mich darauf hin, falls ich Fehler drin habe, damit ich schnellstmöglich korrigieren kann.

Bitte nutze unten die Kommentare, um mir (und den Mitlesern) zu sagen, ob und wie dir dieser Artikel helfen konnte oder welche Fragen du noch dazu hast.
Vielen Dank für deine Hilfe.

Viele Grüße
Detlef Jahn

9 Gedanken zu „Lasst Bilder sprechen“

  1. Die Punkte 1-4 sind sehr gut und übersichtlich dargestellt. Nur Punkt 5 ist fragwürdig: Warum sollte Umverteilung dem Gerechtigkeitssinn widersprechen? – Die derzeitge Verteilung ist ungerecht und sollte verändert werden.

    Es stimmt auch nicht, daß die Umverteilung bei diesem Modell (1.000 Euro BGE und 50% Grenzbelastung auf den Hinzuverdienst) eher gering ist. Die ist schon ganz ordentlich:

    Beispiel: 1.300 Euro Bruttolohn pro Monat. Diese Person hat heute ca. 975 Euro Nettolohn. Beim genannten BGE-Modell kommen zu den 1.000 Euro Grundeinkommen 650 Euro Nettolohn hinzu. Das ergibt ein verfügbares Einkommen von 1.650 Euro. Das sind 675 Euro mehrs als heute (+ 69,2%).

    Ein Millionär dagegen (1.000.000 Euro Jahresbrutto) bekommt zu den 12.000 Euro Grundeinkommen pro Jahr 500.000 Euro Nettolohn hinzu. Er hat damit ein verfügbares Einkommen von 512.000 Euro. Somit zahlt er 488.000 Euro Steuern. Heute sind es nur ca. 200.000 Euro.

    Der Arbeitnehmer mit 1.300 Euro Bruttolohn hat also ein mehr als zwei Drittel höheres verfügbares Einkommen als heute; der Millionär dagegen zahlt fast das Zweieinhalbfache an Steuern mehr als heute. Das ist eine ordentliche Umverteilung!

    1. »Warum sollte Umverteilung dem Gerechtigkeitssinn widersprechen?«

      Weil das Grundeinkommen eine Demonstration von Gleichbehandlung ist und nicht dazu dienen soll, Anderen etwas wegzunehmen →Umverteilung. Siehe auch die Artikel »Henne oder Ei?« und »Du nimmst mir nichts weg«.

      »Es stimmt auch nicht, daß die Umverteilung bei diesem Modell (1.000 Euro BGE und 50% Grenzbelastung auf den Hinzuverdienst) eher gering ist. Die ist schon ganz ordentlich«

      Ich bezog die relative(!) Geringfügigkeit darauf, dass die Veränderung in der Höhe des Netto ohne bGE oder der Steuer im Verhältnis zur jeweiligen Gesamtsumme und auch im Vergleich zum Vorwert (ohne bGE) gering ist. Die aboluten Zahlen in Euro sind natürlich nicht zu verachten. Daran kann man sehr schön sehen,

      • wie ungerecht bisher das Steuersystem ist und
      • wie stark sich eine relativ kleine Änderung auswirken würde.

      »Der Arbeitnehmer mit 1.300 Euro Bruttolohn hat also ein mehr als zwei Drittel höheres verfügbares Einkommen als heute; der Millionär dagegen zahlt fast das Zweieinhalbfache an Steuern mehr als heute. Das ist eine ordentliche Umverteilung!«

      Nein, das ist lediglich erst mal nur Steuergerechtigkeit.

      Umverteilung ist, wenn jemandes Vermögen geschmälert und jemand anderem dadurch mehr Vermögen zuteil wird.
      Das ist hier nicht der Fall, denn es wird nur (neu hinzukommendes) Einkommen besteuert, aber kein (bestehendes) Vermögen herangezogen. Die Finanzierung eines Grundeinkommens wäre nur dann Umverteilung, wenn Vermögen (teil)enteignet und damit das Grundeinkommen bezahlt würde.

  2. „Weil das Grundeinkommen eine Demonstration von Gleichbehandlung ist und nicht dazu dienen soll, Anderen etwas wegzunehmen“

    Das ist wieder so eine Illusion, die in weiten Teilen der Grundeinkommensbewegung herumgeistert: Man kann nur dem einen etwas geben, wenn man es einem anderen wegnimmt. Es gibt keine Nettoempfänger ohne Nettozahler.

    „Die aboluten Zahlen in Euro sind natürlich nicht zu verachten.“

    Eben!

    „Umverteilung ist, wenn jemandes Vermögen geschmälert und jemand anderem dadurch mehr Vermögen zuteil wird.
    Das ist hier nicht der Fall, denn es wird nur (neu hinzukommendes) Einkommen besteuert, aber kein (bestehendes) Vermögen herangezogen. Die Finanzierung eines Grundeinkommens wäre nur dann Umverteilung, wenn Vermögen (teil)enteignet und damit das Grundeinkommen bezahlt würde.“

    Das ist eine Definitionsfrage. Ich beziehe Umverteilung auch auf das Einkommen. Außerdem hängen Vermögen und Einkommen zusammen, denn irgendwann wird das Vermögen ja auch ausgegeben und somit in Einkommen verwandelt. Und ich fände es gut, wenn die Besteuerung erst zu diesem Zeitpunkt einsetzt.

    1. Das ist wieder so eine Illusion, die in weiten Teilen der Grundeinkommensbewegung herumgeistert: Man kann nur dem einen etwas geben, wenn man es einem anderen wegnimmt. Es gibt keine Nettoempfänger ohne Nettozahler.

      Das ist doch keine Illusion, sondern man muss Wunsch und Wirklichkeit trennen.
      Natürlich nehme ich jemandem etwas weg, um es jemandem anderen zu geben. Aber es ist doch nicht der Sinn eines Grundeinkommens, wegzunehmen.
      Es kommt auf die Argumentationsweise an.
      Wenn ich argumentiere, dass ich umverteilen will, ist das negativ, denn ich betone das Wegnehmen →Enteignen.
      Wenn ich argumentiere, dass ich gerecht(er) verteilen will, ist das positiv(er), denn ich betone das Geben und die Gerechtigkeit.

      Das ist eine Definitionsfrage.

      ja, natürlich.
      Aber gerade deshalb ist es ja wichtig, es genau zu benennen (und zu erklären), was man eigentlich meint, was es sein soll, was man erreichen will.
      Ziel eines Grundeinkommens darf nicht sein, jemandem etwas wegnehmen zu wollen.
      Ziel muss es sein, Möglichkeiten zu bieten, also zu geben.

      Wenn wir zu einer besseren Gesellschaft finden wollen, müssen wir lernen, positiv zu argumentieren und müssen uns argumentativ vom Konkurrenzdenken befreien.
      Konkurrenz: Ich will umverteilen, also wegnehmen/enteignen.
      Kooperation: Ich biete dir Möglichkeiten, dich zu entfalten und dich einzubringen, indem ich das Vorhandene gerecht(er) verteile und dich absichere.

  3. „Es kommt auf die Argumentationsweise an.
    Wenn ich argumentiere, dass ich umverteilen will, ist das negativ, denn ich betone das Wegnehmen →Enteignen.
    Wenn ich argumentiere, dass ich gerecht(er) verteilen will, ist das positiv(er), denn ich betone das Geben und die Gerechtigkeit.“

    Natürlich kann man das Geben in den Vordergrund stellen; und so machen es ja auch die meisten Grundeinkommensbefürworter. Dennoch wissen die Nettozahler, daß ihnen etwas genommen wird – ob man das nun sagt oder nicht. Sie wissen es von selbst. Deswegen sehe ich das anders und argumentiere daher auch anders:

    Ich sage zu den Nettozahlern: Ich weiß, daß Euch etwas genommen wird. Ihr bekommt aber auch etwas dafür: Denn die Gesellschaft lebt nicht nur von der Erwerbstätigkeit. Auch die nichtentlohnten Tätigkeiten sind unabdingbar für die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft. Diese Tätigkeiten werden vermehrt von Personen übernommen, die nur vom Grundeinkommen leben. Und sie machen das freiwillig, denn sie haben ein Bedürfnis danach, das zu tun. Also habt ihr, die Nettozahler, auch etwas davon, wenn diese Tätigkeiten erledigt werden. Ihr seid auch auf das Funktionieren der Gesellschaft angewiesen.

    Außerdem lebt ihr wohlhabenden Personen besser in einer sozial befriedeten Gesellschaft. In dem Zusammenhang verweise ich dann auf den Unternehmer Alfred Ritter (Hersteller der Schokoladenmarke „Ritter Sport“), der mal gesagt hat, er möchte sich gemütlich und entspannt in seinen Garten setzen können, ohne sich hinter den meterhohen Zäunen einer Guided Community verstecken zu müssen.

    Diese Argumentation ist ehrlich, weil sie nicht verschweigt, daß es auch Nettozahler gibt; sie spricht damit die ganze Gesellschaft an (und nicht nur die Nettoempfänger, wie es leider die meisten Grundeinkommensbefürworter machen); und deshalb bin ich davon überzeugt, daß das eine gute und richtige Argumentation ist!

  4. Grds. ist bGE eine Umverteilung, aber wenn ich den Steuersatz verdoppele auf 50 % und den Freibetrag verdreifache auf Prokopfeinkommen (2500 €), ist es eine Steuersenkung !
    Entscheidend ist, dass nur die oberen 10 % linear progressiv zwischen 0 und 50 % Steuern zahlen.
    Diese 10 % zahlen aber heute auch mehr, z.B. die AG-Sozialbeiträge, sie bekommen aber im bGE die KV/PV auch dafür, heute nicht.
    Die Einbeziehung der AG-Sozialbeiträge ist aber unabhängig vom bGE nötig, weil man sie von der Lohnsumme auf die Erträge der Arbeitgeber wegen Digitalisierung umstellen muss (Ludwig Erhard 1957) !

    1. „Grds. ist bGE eine Umverteilung“

      Wenn man es entsprechend gestaltet.
      In der von dir vorgetragenen Pauschalität kann ich das nicht so stehen lassen.

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