So… Nach meiner Auflistung, dass wir 35 Millionen Menschen finanziell besserstellen können, werde ich heute zeigen, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) auch für Unternehmer eine tolle Sache ist.
Götz W. Werner, der Gründer von »dm Drogeriemarkt« und langjähriger Befürworter eines BGE, gibt auf die Frage, ob er denn nicht befürchte, dass ihm mit Einführung eines BGE die Kassiererinnen weglaufen, diese Antwort: »Nein, im Gegenteil. Dann sitzen bei mir an der Kasse nur noch diejenigen, die auch tatsächlich bei mir an der Kasse sitzen wollen.«
Warum wird das so sein, weshalb hat er damit recht? Weil wir mit einem BGE eine unangemessene Bezahlung und schlechte Arbeitsbedingungen ablehnen können. Weil unsere Existenz nicht davon abhängt, jeden Job zu allen Konditionen annehmen zu müssen. Und das ermöglicht, nein erzwingt eben einen für beide Seiten fairen Lohn und gute Arbeitsbedingungen.
Heute kann der Unternehmer die Profitschraube anziehen, so heftig er will. Da wir nicht essen dürfen, wenn wir nicht arbeiten, müssen wir uns dem Diktat des »Arbeitsmarktes« beugen und im Zweifel nehmen, was wir kriegen. Und zu oft macht uns das zwar nicht satt, aber dafür wenigstens krank. Damit die Pharmakonzerne weiter ihr Auskommen haben, die ja (leider auch zu oft) nicht unsere Gesundheit fördern, sondern an unserer Krankheit verdienen. Und für das Rentensystem ist das auch gut, weil wir dann nicht so lange nutzlose Fresser sind und beizeiten in die Grube fahren – den tollen Burnout, Haltungsfehler und Verschleißschäden erzeugenden Beschäftigungen sei Dank. Und hältst Du nicht durch, bist Du zu schwach…
Apropos Rente: die wird gestrichen und die brauchen wir auch nicht mehr, wenn wir ein BGE haben. Weshalb, zerre ich demnächst mal ans Licht.
Okay, wir können also »Nein, Danke!« sagen. Und was hat der Unternehmer davon? Der will ja Arbeit verrichten lassen – schließlich kann er ja nicht alles alleine machen. Der spart einerseits Personalkosten, wenn er klug handelt und bekommt andererseits zufriedenere Leute, die wahrscheinlich auch noch gern zur Arbeit kommen, weniger krank sind und bessere Qualität liefern – und das alles sogar freiwillig. Denn erstens bleiben die Faulen sowieso zu Hause und zweitens wird er für gute Arbeitsbedingungen sorgen, wenn er ein kluger Unternehmer ist. Sonst bleiben ihm nämlich auch die Fleißigen weg, denn sie müssen ja nicht…
Okay, verstanden. Aber jetzt sollen wieder Zahlen belegen, dass hier nicht nur durch die rosarote Fantasiebrille geblinzelt wird, sondern vernünftig gedacht.
Auswirkungen für die Arbeitnehmer (AN)
Der AN wird seine Verhandlungen entsprechend führen, am Ende weniger arbeiten zu wollen und dennoch (insgesamt) mehr im Geldbeutel zu haben.
Außerdem ist zu beachten, dass sich zwischen dem, der wenig arbeitet und dem, der mehr arbeitet, die Nettogesamteinkommen auch unterscheiden, sonst lohnt sich Mehrarbeit nicht. Gleichzeitig muss der wenig Arbeitende wenigstens soviel Vergütung erhalten, dass sich eine Arbeitsaufnahme überhaupt lohnt.
Unser Beispiel-Arbeitnehmer ist 35 Jahre alt, lebt in Leipzig, bekommt einen vollen Kinderfreibetrag angerechnet, zahlt keine Kirchensteuer und die Einkommensteuer wird nach Steuerklasse 5 berechnet; keine sonstigen Sonderzulagen oder Prämien, Urlaubsgeld oder Sonstiges, um es einfach zu halten. Die Berechnungen habe ich mit Hilfe von www.nettolohn.de durchgeführt. Im hier zur Darstellung verwendeten Beispiel bekommt der AN für eine 40-Wochenstunden-Vollzeit-Tätigkeit einen monatlichen Bruttolohn von 2.000 €. Davon werden mit Datenstand 2017 für Sozialversicherungsbeiträge 420,60 € und als Lohnsteuer 418,66 € abgezogen und Solidaritätbeitrag zahlt er 24,03 €. Er bekommt also 1.136,71 € Nettolohn ausgezahlt.
Wenn er mit Einführung des BGE weiter voll arbeitet, bekommt er 2.000 € brutto minus 1.000 € Einkommensteuer minus 420,60 € Sozialversicherung plus 1.000 € BGE = 1.579,40 € Nettoeinkommen. Das wäre also gegenüber heute ein Plus von 442,69 € mit BGE und 50 % Einkommensteuer auf das Arbeitseinkommen.
Das ist doch großartig.
Aber unser AN möchte etwas mehr Zeit für Anderes haben und arbeitet künftig nur noch 70 %, also 28 Stunden die Woche. Mit dem Chef hat er sich geeinigt, dass sein Lohn auf 70 % heruntergerechnet und dann davon noch 100 € abgezogen werden, so dass er dann für seine 70 % Arbeitszeit noch 1.300 € Bruttolohn bekommt. Dann sieht die Rechnung für den AN so aus: brutto 1.300 € minus Eink.-St. 650 € minus Sozialversicherung 273,39 € (Solibeitrag wird gestrichen und entfällt) plus 1.000 € BGE = Nettoeinkommen 1.376,61 €. Er hat also trotz 30 % weniger Arbeitszeit und darüber hinaus weiteren 100 € Abzug, bezogen auf den ursprünglichen Bruttolohn, trotz 50 % Eink.-St. am Ende durch das BGE ein um 239,90 € höheres Nettoeinkommen, als heute bei Vollzeitarbeit.
Das ist doch großartig.
Weil aber die Arbeit nicht weniger geworden ist, fehlt im Betrieb nun Arbeitskraft für 30 % und deshalb wird ein weiterer AN als ›Auffüller‹ eingestellt. Dieser bekommt nun entsprechend 30 % bezogen auf den ursprünglichen Vollzeit-Bruttolohn und auch er ist damit einverstanden, dass davon noch weitere 100 € abgezogen werden – der Arbeitgeber hat ja schließlich zusätzliche Umstände, wenn er nun die Arbeit auf zwei Leute aufteilen muss. Ergibt also für den Auffüller 500 € Bruttolohn und folgende Rechnung: 500 € Bruttolohn minus 50 % Eink.-St. 250 € minus Sozialversicherungsbeiträge 105,15 € plus BGE 1.000 € = Nettoeinkommen 1.144,85 €. Selbst bei nur 12 Stunden Wochenarbeitszeit hat also der Auffüller trotz 50 % Steuerabzug vom Bruttolohn am Ende noch 144,85 mehr in der Tasche, als wenn er gar nicht arbeiten ginge.
Das ist doch großartig.
Zusammenfassung: Im hier gerechneten Beispiel hat der AN, der vorher Vollzeit gearbeitet hat, nun bei einer Arbeitszeit von 70 % und einem umgerechnet sogar um 100 € niedrigeren Bruttolohn am Ende doch noch 239,90 € mehr in der Tasche als vorher bei voller Arbeitszeit ohne BGE. Selbst für denjenigen, der nur eine geringfügige Arbeitszeit leistet, bleibt Anreiz zum Arbeiten, denn er hat immerhin 144,85 € mehr zum Ausgeben als wenn er sich auf dem BGE ›ausruhen‹ würde und sogar noch 8,14 € mehr, als vorher ohne BGE ein Vollzeit-Beschäftigter.
Auch die Relation Lohn : Arbeitszeit bleibt gewahrt: Die AZ-Relation 70 % : 30 % = 2,333 und die Lohn-Relation ist sogar noch deutlich besser (Nettolohn, der das BGE übersteigt): 376,61 € : 144,85 € = 2,6.
Fazit: Trotz oder sogar wegen des BGE gibt es einen konkreten positiven Anreiz, arbeiten zu gehen und zusätzlich Geld zu verdienen. Es ist also sogar attraktiver, mehr zu arbeiten!
Schön soweit. Aber ich habe Dir ja versprochen, dass ich den Unternehmern das BGE schmackhaft machen will. Dazu komme ich jetzt.
Auswirkungen für die Arbeitgeber (AG)
Ich weiß, das ist zäh und eher unspannend, aber ich arbeite es Schritt für Schritt durch. So, also los jetzt.
Ausgangslage ist ein Betrieb mit 250 Vollzeit-Angestellten, die jeder (wie oben) 2.000 € Bruttolohn monatlich für 40 Wochenstunden erhalten. Die später berechneten Teilzeitkräfte mit 70 % Arbeitszeit, also 28 Wochenstunden erhalten 1.300 € brutto und die ›Auffüller‹ für 12 Wochenstunden, also 30 % Arbeitszeit jeweils 500 € brutto monatlich.
Situation heute (2017) ohne BGE: die 250 AN verursachen folgende Lohnkosten: 2.000 € Bruttolohn plus Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitgebers 378,60 € = 2.378,60 € x 250 AN = 594.650 € monatliche Lohnkosten. Dazu kommen Zusatzkosten je 1.000 € x 250 = 250.000 €. Ergibt alles zusammen Arbeitskosten für 250 Vollzeit-Angestellte in Höhe von 844.650 € pro Monat.
Anmerkung: Quelle für Kosten eines Arbeitsplatzes: [www.sidiblume.de/download/Asta/Asta_pdf2004/tenckhof.pdf]* – die Zahlen dort stammen aus dem Jahr 2004. Ich rechne hier in meinen Beispielen mit 1.000 € Kosten (ohne Lohn) je Vollarbeitsplatz in 2017, da seit 2004 Kosten allgemein gestiegen sind.
* (Update 18.12.2022) Die Originalquelle ist leider nicht mehr erreichbar – über das Internetarchiv findet man sie – hier der Sprung zu der verwendeten PDF: Wayback Machine (archive.org).
Jetzt haben wir das BGE mit 1.000 € monatlich und die AN setzen sich jetzt wie folgt zusammen: 100 AN bleiben bei Vollzeit, 150 wollen etwas kürzer treten und arbeiten 70 %, also jeweils 28 Wochenstunden und dafür kommen weitere 150 AN als Auffüller hinzu, zu je 30 % Arbeitszeit, also 12 Wochenstunden, damit der Betrieb wieder bei insgesamt 100 % Arbeitszeitleistung ist.
Berechnungen: 100 Vollzeitkräfte verursachen Lohnkosten für den AG in Höhe von 237.860 €. 150 AN zu 28 Wochenstunden kosten 231.913,50 € und 150 Auffüller mit je 12 Wochenstunden kosten 89.197,50 €. Das sind insgesamt 558.971 € Lohnkosten. Dazu kommen dann die Zusatzkosten von 280.000 €, so dass der AG hier nun Arbeitskosten von insgesamt 838.971 €. Gegenüber heute würde der AG also in diesem Beispiel nach Einführung des BGE pro Monat 5.679 € weniger Arbeitskosten haben.
Zusammenfassung: Auf den ersten Blick scheinen die Kosten für den AG deutlich zu sinken (‚nackte‘ Lohnkosten). Bei korrekter Betrachtung sind aber auch Mehrkosten für zusätzliche Arbeitskräfte (‚Auffüller‘) zu berücksichtigen, die der erhöhte Verwaltungsaufwand verursacht, sowie andere Nebenkosten, wie z. B. Ausbildung, Büro, Ausstattung, Mieten, Kantine, Arbeitsschutz, Maschinen, Werkzeug usw. Hier sind Gesamtnebenkosten für einen Arbeitsplatz von ca. 1.000 € veranschlagt und für die Auffüllerarbeitskräfte ca. 20 % dieses Wertes als Mehraufwand unterstellt.
Nicht berücksichtigt sind hier, wie auch oben beim Abschnitt zu den Arbeitnehmer-Auswirkungen, mögliche weitere Zusatzkosten für Lohnfortzahlungen, Urlaubsvertretungen, Prämien usw.
Fazit: Für den Unternehmer ist ein BGE zumindest von der rein rechnerischen Seite her interessant, weil ein höherer Gewinn möglich ist. Er kann den Gewinn an die AN weiter geben und/oder die Arbeit(sbedingungen) attraktiver gestalten. Wenn der Mehrgewinn unternehmerisch klug eingesetzt wird, kann unbeliebte Arbeit besser bezahlt und begehrte Arbeiten gegen niedrigeren Lohn ausgeführt werden, ohne Gewinnverlust.
Am Ende profitieren alle vom BGE: der AN hat mehr Geld in der Tasche, auch wenn er weniger arbeitet und der AG hat zufriedenere Leute im Betrieb, die bessere Arbeit leisten, weniger ausfallen und das ganze ohne Mehrkosten oder vielleicht sogar mit niedrigeren Gesamtarbeitskosten als heute.
Man kann das noch weiter spinnen: nicht unlogisch wäre z. B., wenn wir zukünftig, wenn es das BGE gibt, nur noch die wirklich verrichteten Arbeitsstunden bezahlt bekommen, denn wenn wir krank sind oder im Urlaub, haben wir ja durch das BGE dennoch Geld für den Lebensunterhalt zur Verfügung. Und fair ist dann im Gegenzug, dass an Arbeitsvergütung nur bezahlt wird, was auch tatsächlich geleistet wird.
Und schwupp ist auch damit gleich eine weitere Fliege erschlagen. Häufig kommt die Frage: Wovon wird die Krankenversicherung für die Menschen bezahlt, die keiner bezahlten (sozialversicherungspflichtigen) Erwerbsarbeit nachgehen? Naja, die dann wegfallenden Krankengelder werden dann genau dafür verwendet und vielleicht werden wir ja auch durch das BGE insgesamt etwas gesünder und die Kosten für die Krankenversicherung sinken für alle. Und in meinem anderen Finanzierungsszenario wäre auch die Frage der Krankenversicherung komplett und ganz simpel gelöst. Aber wie schon gesagt: das kommt später in einem anderen Artikel.
Jetzt bin ich erst einmal froh, dass ich die kleine Serie zur Finanzierung eines BGE hier abschließen kann. Ich hoffe, nicht allzu viele Fehler gemacht zu haben. Bitte lass mir Nachricht zukommen, wenn Du Ungereimtheiten findest oder konkrete Rechenfehler oder wenn ich etwas Wichtiges ganz und gar vergessen oder übersehen haben sollte – vielen Dank für Deine Hilfe.
In den nächsten Artikeln werde ich mich den häufigsten oder blödsinnigsten Fragen zum, über und rund um das BGE zuwenden und versuchen, möglichst erhellende Antworten zu geben.
Bis dahin wünsche ich Dir eine gute Zeit.
Viele Grüße
Detlef Jahn
5 Gedanken zu „08: Das BGE als Freund der Unternehmer“