13: Antworten zum bedingungslosen Grundeinkommen

Nachdem ich in längeren Artikeln ein paar Dinge zum bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) gesagt habe, möchte ich heute ein paar Fragen aufnehmen, die ich an verschiedenen Stellen in Diskussionen zu verschiedenen Artikeln rund ums BGE gelesen habe. Gelegentlich wird ziemlich ausführlich und auch sehr sachlich diskutiert und oft gehen die Emotionen ein wenig hoch und die Diskussion ist wenig hilfreich. Ich versuche, ein paar Fragen aufzugreifen und zu beantworten, die immer wieder in Varianten zu lesen sind.

Bitte gib Nachricht, wenn du irgendwo anderer Meinung bist, eine Ergänzung hast oder falls ich etwas ganz falsch gemacht haben sollte. Ach ja: Falls dir das Thema wichtig ist, verlinke meinen Blog doch in deinem Blog oder auf deinem Profil, wo immer du dich oft und gerne ›im Netz‹ aufhalten magst, damit die Diskussion weitergetragen wird. Das ist das Wichtigste überhaupt. Herzlichen Dank für deine Teilnahme.


Frage/Meinung:
Wird das BGE auf den Lohn angerechnet?

Antwort:
Nein.

Jeder bekommt das BGE – Punkt. Und jeder, der einer bezahlten Erwerbsarbeit nachgeht, erhält dafür seinen Lohn und zahlt dann, wie bisher, von seinem Erwerbsarbeitseinkommen die üblichen Abgaben. Das heißt, kurz gesagt: du bekommst dein BGE und deinen Nettolohn und über die Summe kannst du frei verfügen. Wer keine bezahlte Erwerbsarbeit hat, hat nur das BGE. Aber: Es gibt verschiedene Modelle, wie das BGE umgesetzt werden soll. Manche befürworten eine sogenannte ›Negative Einkommensteuer‹. Ich nicht.


Frage/Meinung:
Ist es nicht besser, das BGE aus einer negativen Einkommensteuer zu finanzieren, als aus einer Einkommenssteuer?

Antwort:
Nein.

Die negative Einkommenssteuer ist eine Verrechnungsgröße, die erst bekannt ist, nachdem der Berechnungszeitraum vorüber ist, also z. B. nach einem Jahr und auch erst dann, wenn die Einkommensteuererklärung abgegeben und berechnet wurde. Erst dann ist bekannt, wie viel Einkommen jemand hatte (oder eben nicht) und dann wird berechnet, wie viel er als Steuern zahlen muss und wie viel er als Steuerfreibetrag abziehen kann und erst dann ist bekannt, ob jemand eine Erstattung bekommt. Ich muss also von Luft leben, bis ausgerechnet wurde, was mir zusteht und ich danach erst meine Erstattung erhalte, sofern ich unter dem Freibetrag liegen sollte, weil ich kein oder ein zu geringes Einkommen hatte. Hier sind drei negative Punkte zu sehen, die mit der Definition eines BGE nicht vereinbar sind.

  • Erstens ist die Zahlung nicht bedingungslos, weil ich ja erst eine Steuererklärung abgeben muss, bevor ich entweder einen Betrag ausbezahlt bekomme oder einen Freibetrag angerechnet.
  • Und zweitens erfolgt die Zahlung nicht an jeden, sondern nur an eine begrenzte Anzahl von Menschen. Das wiederum erfüllt nicht das Gleichbehandlungsprinzip, auf dem die mit dem BGE verbundene Wertschätzung beruht.
  • Und drittens verstößt die negative Einkommensteuer gegen die Vorgabe, ein BGE soll unabhängig von Bedürftigkeitsprüfung sein, wenn ich es erst bekomme, nachdem ich nachgewiesen habe, dass ich zu wenig Einkommen erzielt habe.

Ob das Gesamteinkommen in Summe am Ende gleich bleibt, ist unerheblich. Besonders für die psychologisch-positive Anreizwirkung ist es unverzichtbar, dass ein BGE auch real regelmäßig ausgezahlt wird. Eine nachträgliche Verrechnung hat keinen positiven Effekt – ich bekomme ja nicht, ich muss nur weniger wieder abgeben – ein erheblicher Unterschied!

Das BGE ist kein Freibetrag, von dem keine Steuern zu bezahlen sind und der auf vorhandenes Einkommen angerechnet wird. Das BGE ist eine Ermöglichung von Teilhabe, die nur dann eins solche ist, wenn sie vorab ohne wenn und aber an jedes Mitglied der Gesellschaft ausgezahlt wird. Nur dann ist es ein bedingungsloses Grundeinkommen.

Wie der Name es ja auch schon sagt: es ist das GRUNDeinkommen. Es ist der Grund auf dem ich stehen und mein Leben aufbauen kann.

Die Einkommensteuer ist gerecht, weil gleichbehandelnd, wenn sie als Pauschale auf alle Einkommen (neben dem BGE) angerechnet wird und Abschreibungsmöglichkeiten gestrichen werden.

Gerechtigkeit ist nicht die Gleichheit, die immer gefordert wird. Ich will gar nicht gleich sein, wie irgend jemand anders. Ich bin ich. Aber ich will gleich behandelt werden – ich will die gleichen Rechte haben, wie jeder andere auch. Ein erheblicher Unterschied, der leider kommunikativ immer wieder nicht beachtet wird: Gleichheit ist nicht Gerechtigkeit. Gerechtigkeit beruht auf Gleichberechtigung und Gleichbehandlung. Männer und Frauen sind nicht gleich, sollen jedoch gleich behandelt werden und gleiche Rechte haben – DAS ist Gerechtigkeit. Zu behaupten, Alle seien gleich, ist schon ganz grundsätzlich einfach nur absurd. Sprachliche Genauigkeit ist also sehr wichtig und wir dürfen uns nicht darauf verlassen, dass der Gesprächspartner ja schon wisse, was man meine…


Frage/Meinung:
Menschen mit niedriger Qualifikation werden weniger oder gar nicht mehr arbeiten, wenn sie ein BGE erhalten, weil niedrig qualifizierte Menschen meist nur in niedrig bezahlten Jobs arbeiten.

Antwort:
Gegenfrage: Weshalb sollte das so sein? Das ist ein emotionales Argument, das keiner objektiven Betrachtung standhält. Es entsteht aus dem Vorurteil gegenüber Anderen, sie seinen fauler als ich selbst und/oder wahlweise auch dümmer. Selbst gering Qualifizierte haben Vorstellungen von ihrem Leben und haben Wünsche und Träume. Und weil das BGE nur ein Minimum und keinen Luxus erlauben soll, ist es sehr lukrativ, trotz BGE eine bezahlte Erwerbsarbeit zu haben – egal, wie kurz an Stunden pro Woche, weil jeder Euro, den ich davon in meiner Tasche wiederfinde, für meine Extrawünsche ist.

Ich behaupte, wir werden mehr Nachfrage nach bezahlter Arbeit haben, als heute, wenn wir ein BGE haben. Weil heute mein Lohn draufgeht für das Lebensnotwendige und für meine Wünsche bleibt nichts übrig. Und mit BGE ist das Lebensnotwendige bereits bezahlt und mein Lohn ist für meine Wünsche in voller Höhe verfügbar. Das versteht Jeder, egal, wie hoch oder niedrig er qualifiziert sein mag – was immer man auch darunter versteht.


Frage/Meinung:
Wie ist das Mit dem Lohnabstandsgebot, also dass derjenige, der arbeiten geht, mehr in der Tasche haben soll, als der, der zu Hause rumhängt?

Antwort:
Siehe vorher: Jeder, der arbeiten geht, hat seinen Nettolohn zusätzlich zum BGE in der Tasche. Punkt. Ich zitiere kurz aus dem Artikel Das BGE als Freund der Unternehmer: »Selbst bei nur 12 Stunden Wochenarbeitszeit hat also der Auffüller trotz 50 % Steuerabzug vom Bruttolohn am Ende noch 144,85 mehr in der Tasche, als wenn er gar nicht arbeiten ginge.«

Für viele Lebenssituationen kann es wirklich wichtiger sein, wenn man sich unbezahlten Aufgaben widmet – aus verschiedensten Gründen. Aber wer »mehr will«, wird einen Weg finden, ein Einkommen neben dem BGE zu erzielen.

Anmerkung:
Solange wir ein Verrechnungssystem haben und so lange wir je nach Einkommen Abgaben in unterschiedlicher Höhe bezahlen, ist das Steuersystem aus sich selbst heraus ungerecht und allein deshalb demotivierend. Wenn alle den selben Anteil bezahlen – die Betonung liegt auf »Alle« – sitzen alle im sprichwörtlichen »selben Boot« und jdeder wird gleich behandelt. Und sogar nach seiner Leistungsfähigkeit, denn wer mehr verdient, führt mehr ab, aber nur als absolute Zahl, nicht als Anteil. Und »die da oben« können sich nicht mehr beschweren, dass sie allein ja »die größte Last tragen« und dass das ungerecht sei. Klar ist es ungerecht, weil sie ja einen höheren Anteil bezahlen müssen. leider bezahlen sie aber meistens nicht den nötigen Anteil, sondern aufgrund ihres hohen Einkommens haben sie viele Möglichkeiten, ihre Abgabenlast künstlich so weit zu verringern, dass sie anteilig sogar weniger bezahlen, als Geringverdiener.

Das bisherige System ist ungerecht, egal, von welcher Seite man es betrachtet. Nur eine pauschale »Flat-Tax« kann das beenden.


Frage/Meinung:
Das BGE bewirkt eine Spirale der Gier, weil wegen Gewöhnung der Anspruch an Lebensstandard ständig weiter steigt und deshalb das BGE ständig weiter angehoben werden muss.

Antwort:
Das kann man lange diskutieren. Wissen werden wir es erst, wenn wir ein BGE haben – ein echtes. Auch in dieser Frage zeigt sich, welches Menschenbild ich grundsätzlich habe.

Ich glaube eher das Gegenteil. Ich glaube, dass die Ansprüche an den Lebensstandard sinken werden, statt dass sie steigen, soweit es materielle Dinge betrifft. Ich glaube, dass wir dem Fetisch »Konsum« nur deshalb so tief verfallen sind, weil wir hoffen, einen Ausgleich im Konsum finden zu können für den Stress und den Leistungsdruck unter dem wir unser Geld erarbeiten: »Das habe ich mir verdient.«

Und wenn wir von diesem Stress entkoppelt sind, weil unser Lebensunterhalt gesichert ist und weil wir dann Arbeit ablehnen können, die uns sinnlos oder vielleicht sogar schädlich erscheint und weil wir zu Chefs, die uns ungerecht und unfair behandeln »Tschüss.« sagen können, werden wir wieder mehr Kapazität haben, uns auf die eigentlich wichtigen Dinge zu besinnen, auf unsere sozialen Kontakte (die realen, nicht die virtuellen), auf den Schutz, die Pflege und die Wiederherstellung unserer natürlichen Umgebung, auf die Teilnahme an Entscheidungsprozessen, die unser Zusammenleben als Gesellschaft regeln und viele andere Dinge, die wichtiger sind, als die Frage, welches Smartphone denn nun unbedingt gekauft werden muss.


Frage/Meinung:
Nach 10.000 Sängern/Bildhauern/Gedichteschreibern fragt die Gesellschaft nicht. Wer macht die notwendigen Arbeiten?

Antwort:
Erstens: Wenn ich dank BGE und eines bezahlten Jobs Geld eher übrig habe, als heute, kann ich mir vielleicht eine Skulptur oder ein Bild oder eine Konzertkarte leisten, die ich mir heute nicht leisten könnte. Es könnte also durchaus passieren, dass der Bedarf an und die Anerkennung für Kultur ganz allgemein stark steigt.

Zweitens: Die notwendigen Arbeiten werden dann entweder von Robotern erledigt, weil diese technisch dazu in der Lage sind und weil für Menschen diese Arbeiten vielleicht schädlich sein könnten. Oder sie werden (dann endlich) angemessen bezahlt und wie oben gezeigt, wollen Viele zum BGE hinzuverdienen. Endlich bekommen wir dann tatsächlich das, was unsere Arbeit wirklich wert ist. Viele Arbeiten werden billiger, weil sie gern gemacht werden und viele Arbeiten werden teurer, weil sie mit verschiedenen Nachteilen verbunden sind (körperliche Anstrengung, Eintönigkeit, stressig…). Endlich kann sich ein wirklicher Arbeitsmarkt entwickeln, weil alle Beteiligten gleichberechtigt »Nein, danke!« sagen können.

… Wird fortgeführt …

Bitte stell deine Fragen, damit wir besser verstehen, welche Fragen noch nicht ausreichend gut beantwortet sind – herzlichen Dank für deine Teilnahme.

Viele Grüße
Detlef Jahn

7 Gedanken zu „13: Antworten zum bedingungslosen Grundeinkommen“

  1. Das Grundeinkommen ist übrigens bei der Bundestagswahl 2017 wählbar, weil das Bündnis Grundeinkommen (als einige von nur drei noch nicht „etablierten“ Parteien) in allen 16 Bundesländern mit Thema „BGE“ für die Zweitstimme auf den Wahlzetteln steht.

    1. Danke für Deinen Hinweis. Ich mache auch zwischendurch weitere Wahlwerbungen. Bei Wünschen und Vorschlägen: her damit (per E-Mail).
      Viele Grüße,
      Detlef Jahn

    1. Für mich eher nicht so sehr viel neue Fragen.
      Aber vielleicht kannst du noch ein paar Fragen beisteuern, die ich hier beantworten sollte?

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