Vince Ebert ist Diplomphysiker und Kabarettist aus Frankfurt. Für »Spektrum.de« schreibt er alle zwei Wochen seine Kolumne »Vince Ebert extrapoliert«.
Heute möchte ich auf seine Extrapolation replizieren, die unter https://www.spektrum.de/kolumne/was-waere-wenn-unsere-rohstoffe-gar-nicht-knapp-waeren/1658694 erschienen ist.
Ein paar seiner gedanklichen Ansätze scheinen auf den ersten Blick nicht uninteressant, aber sie sind weder neu, noch treffen sie den eigentlichen Kern der Warnungen, auf die er Bezug nimmt.
1972 prognostizierte der Club of Rome, dass uns bereits im Jahr 2000 reihenweise die wichtigsten Rohstoffe ausgehen würden. Spätestens dann käme es zum totalen Kollaps unsers Wirtschaftssystems. Inzwischen haben wir das Jahr 2019, und es gibt uns noch.
…
Inzwischen hat der Club of Rome den Weltuntergang durch Rohstoffknappheit mehrfach nach hinten korrigiert. Ähnlich wie die Zeugen Jehovas, die nach jeder ausgefallenen Sintflut sagen: Beim nächsten Mal klappt’s bestimmt!
Nun ja, man kann sich natürlich seine eigenen Rosinen herauspicken, wie und wo man will – von einen Diplomwissenschaftler sollte man eine seriösere Herangehensweise erwarten dürfen. Aber vielleicht hat ja nicht der Diplomphysiker, sondern der Kabarettist den Kommentar geschrieben. Geschickt hat er es aber verpackt: Er stellt ja schließlich nur Fragen, die sich der geneigte Leser dann beantworten kann, wie sein jeweiliges Weltbild gestrickt ist. Schwierig ist, dasss eine Fragen sehr geschickt suggestiv formuliert sind.
Der Club of Rome, auf den er sich bezieht, hat damals nämlich keineswegs nur auf Rohstoffendlichkeit hingewiesen, sondern sehr bedacht die ganzheitlichen Zusammenhänge verschiedener Fachgebiete und Problemthemen zusammengefasst.
Aus Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Grenzen_des_Wachstums:
»Die zentralen Schlussfolgerungen des Berichtes waren:
„Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.“
– Schlussfolgerung aus: Die Grenzen des Wachstums«
Es geht also nicht um den Untergang der Welt, sondern um die Grenzen des Wachstums und das auch nicht bis zum Ende des Jahrhundert, sondern innerhalb von hundert Jahren – das wäre dann also 2072.
Was ist eine Kolumne wert, die von einem Wissenschaftler verfasst wird und dann gleich zum Start so auf dem Bauch landet?
Eigentlich könnte ich jetzt schon wieder aufhören.
Aber sehen wir weiter, da ich eigentlich auf etwas Anderes hinauswill.
Zunächst einmal ist es so, dass viele Wachstumskritiker irrtümlicherweise denken, beim Wirtschaftswachstum müssten automatisch irgendwelche physikalische Größen wachsen. Aber das ist nicht richtig. Ein Großrechner vor 30 Jahren hatte die Abmessungen eines Einfamilienhauses und benötigte für seinen Betrieb Unmengen an Rohstoffen und Energie. Heute passt dieser Rechner problemlos in jede Hosentasche.
Ja das mag sein. Aber da es heute millionenfach mehr Rechner gibt, ist die dafür verwendete Rohstoffmenge keineswegs gleich geblieben und von den Abermillionen mal ganz zu schweigen, die schon weggeworfen wurden – obwohl sie eine viel höhere Rechenkapazität hatten, als die damaligen.
»Ich glaube, dass es auf der Welt einen Bedarf von vielleicht fünf Computern geben wird.«
(Dieses Zitat aus 1943 wird dem damaligen IBM-Chef, Thomas John Watson, Sr., zugeschrieben, es ist aber nicht belegt.)
Und die Energiemengen, die heute von EDV-Technik verbraucht wird, sind um ein Vielfaches höher, als damalige Mengen auch nur ahnen ließen.
Wirtschaftswachstum entsteht vor allem, wenn Ressourcen effizienter verwendet werden. Durch bessere Vernetzung, energiesparendere Produktionstechniken oder die Verlagerung auf den Dienstleistungssektor kann das Bruttosozialprodukt einer Volkswirtschaft nahezu grenzenlos wachsen, obwohl parallel dazu immer weniger Rohstoffe benötigt werden.
Ah… Dienstleitungen… kann man die essen?
Kann man sich damit kleiden und gegen »Wetter« schützen oder darin wohnen?
»Bruttosozialprodukt« – was sagt das? Was sagt ein solches Wort über den Zustand der gesamtgesellschaftlichen oder der individuellen Zufriedenheit, der Gesundheit oder der ökologischen Situation aus? Richtig: Nichts, rein gar nichts. Die Lehre vom Bruttosozialprodukt wurde erfunden, um davon abzulenken, was wirklich wichtig ist – um uns das als wichtig zu erklären, wovon Wenige profitieren und die Allermeisten Nachteile erleiden.
Das Bruttosozialprodukt sagt, wie viel Geld umhergeschoben wird, aber nicht, wer es hat.
Bruttosozialprodukt sagt, wie viel Wert geschaffen und bewegt wurde – in Geld gemessen, nicht in Gerechtigkeit, Vorsorge für spätere Generationen (auch Nachhaltigkeit genannt) oder Solidaritätsleistungen für Schwache.
Und was sagt »Wirtschaftswachstum« aus über Glück, Lebenfreude, Naturschönheit oder Gerechtigkeit?
Nichts, rein gar nichts – nicht ein Wort, nicht ein Jota.
Weshalb also sollte dann »Wirtschaftswachstum« oder »Bruttosozialprodukt« in irgendeiner Weise relevant sein?
Nur weil Professoren es lehren?
Weil die Medien es immer wieder hervorschreiben?
»Wirtschaftswissenschaft: das einzige Fach, in dem auf dieselben Fragen jedes Jahr andere Antworten richtig sind.«
(Danny Kaye)
Okay – da kann sich nun jeder selbst eine Meinung bilden.
Sehen wir weiter, was Vince Ebert zu sagen hat.
Die Idee der Grenzen des Wachstums könnte also ein Irrglaube sein. Dass sie dennoch so populär ist, hängt damit zusammen, dass unsere Vorstellung von unseren Ressourcen immer noch die eines steinzeitlichen Jägers und Sammlers ist. Damals hieß es: Wenn alles Wild gejagt ist, werden wir sterben. Wenn alle unsere Vorräte aufgebraucht sind, müssen wir verhungern. In Wahrheit sind unsere Ressourcen aber nahezu unerschöpflich. Und mit unserem Erfindungsreichtum und unserer Fantasie werden wir immer besser in der Lage sein, sie zu nutzen.
Diese Argumentation ist völlig absurd, denn das gejagte Wild wächst nach, wenn es nicht überjagt wird und unsere Vorräte gehen nicht aus, wenn wir darauf achten, rechtzeitig nachzufüllen. Es geht darum, die Nutzung der natürlichen Ressourcen in Balance mit deren Nachwachsen oder Neuerzeugung zu halten.
Und auch noch aus einem anderen (und viel wichtigerem) Grund ist diese Argumentation absurd: »Früher«, also als wir seine steinzeitlichen Jäger und Sammler waren, haben wir in direkter Wechselwirkung und Beziehung mit unserer natürlichen Umwelt gelebt und und waren zahlenmäßig um so viele weniger, dass die von uns verursachten Umweltschäden für das Ökosystem keine Gefahr waren – im Gegensatz zu den letzten 300 Jahren.
Deshalb ist dieser Vergleich ganz grundsätzlich nicht zulässig.
Die Umweltschäden, die »der Mensch« in den letzten 300 Jahren angerichtet hat, sind unvergleichlich größer, als alle vorherigen Schäden zusammengenommen. Ich gehe sogar soweit, zu behaupten, dass selbst die letzten 120 Jahre schädlicher für das Ökosystem waren, als alle anderen davor in Summe.
Wir sind zur Globalgefährdung für das gesamte Ökosystem des Planeten geworden.
Was nämlich gerne weggelassen oder gar nicht erst erkannt, geschweige denn zugegeben wird: So, wie sich die Geldmenge völlig abgekoppelt von der realwirtschaftlichen Produktion exponentiell vergrößert hat, so haben sich auch die Umweltschäden exponentiell vergrößert.
Auf spätere Generationen zu verweisen und dass sie doch ganz bestimmt fähig sein werden, Ressourcen zu erschließen, die heute noch unbekannt sind oder auf die mangels Technologie noch kein Zugriff möglich ist, hat uns doch gerade die Umweltprobleme beschert, an denen wir heute schon und in naher Zukunft noch sehr viel schwerwiegender unsere Kinder und Enkel zu kauen haben.
Und Herr Ebert selbst nennt ein Beispiel, dessen Umweltschädlichkeit nachgewiesen ist und preist es als Fortschritt, denn es hat ja immerhin die Ölknappheit verzögert: das Fracking.
Die Technologie des Frackings ist umweltpolitisch sicherlich umstritten, aber sie hat zweifellos den vom Club of Rome prognostizierten Peak-Oil massiv nach hinten verschoben.
Es ist also legitim, wenn wir den Boden schwerwiegend vergiften, um dadurch (vermeintlich) Zeit zu gewinnen – nach uns die Sintflut?
Nochmal Wikipedia (ebenda):
Es zeigte sich, dass – gemäß der Modellvorstellung – auch maximale Technologie keinen Systemzusammenbruch verhindert, sofern das Produktionskapital unbegrenzt weiter wachsen würde, weil selbst eine maximale Technologie die negativen Folgen nicht mehr kompensieren könne:
„Aus diesem teuflischen Regelkreis können uns technische Lösungen allein nicht herausführen.“
– Schlussfolgerung aus: Die Grenzen des Wachstums
So sieht es nämlich aus!
Die Welt geht nicht unter – sie wird lediglich uns aus der Rechnung herausnehmen.
Oder wir lernen, uns zu bescheiden und auch mal mit etwas Erreichtem zufrieden zu sein.
Die Idee der Grenzen des Wachstums könnte also ein Irrglaube sein.
Allein, solch einen Satz zu schreiben, ist einfach unfassbar – in der heutigen Zeit, mit dem heutigen Wissen…
Schreib mir unten in die Kommentare, wie du das siehst – herzlichen Dank.
Viele Grüße
Detlef Jahn
ja von jemandem der sich „diplomphysiker“ nennt sollte man wohl wirklich mehr einsicht und verstand erwarten… | er schreibt jedenfalls geradewegs so, als stünde er im sold jener menschenverachtenden finanzelite | aber womöglich bekommt er gar kein geld von denen, dann ist er sogar noch dümmer als gedacht…