21: Ein paar Stichpunkte zur Umsetzung eines BGEs

Wegen der vielen teilweise sehr erbittert geführten, nutzlosen und oft leider auch sinnfreien Diskussionen, nein, Auseinandersetzungen innerhalb der Gruppe der Unterstützer und Befürworter eines BGEs, möchte ich hier kurz zusammenfassen, was das Bedingungslose Grundeinkommen ist und wie es gestaltet werden kann.

Soweit es verschiedene Möglichkeiten gibt, werde ich das meist erwähnen, vertrete hier jedoch ausschließlich meine eigenen Standpunkte.

Logisch, ist ja mein Blog… 😉

Es ist sehr fatal und schadet der Idee vom bedingungslosen Grundeinkommen, wenn sich die Befürworter gegenseitig in Diskussionen um sich selbst drehen und das gemeinsame Ziel oft vollständig aus den Augen verlieren, weil Jeder einfach nur recht behalten will.

Wir müssen anerkennen, dass viele Wege zum Ziel führen können und dürfen nicht vergessen, dass zuerst einmal noch sehr viel gute Überzeugungsarbeit für ein BGE nötig ist.

Wir müssen in der breiten Bevölkerung eine grundsätzliche Zustimmung für ein BGE erhalten, bevor wir die Details ausarbeiten und festlegen.
Selbstverständlich sind Details wichtig, weil die Leute ja auch danach fragen.

Aber man muss dann immer offen bleiben für Varianten und Abweichungen. Man muss immer freimütig bekennen, dass es verschiedene Wege gibt, wie man ein BGE umsetzen kann. Und man muss auch klarmachen, dass diese Umsetzung und die Feinheiten für die Grundsatzdiskussion unwichtig sind.

Wichtig sind die groben Umrisse, die Grundstruktur. Und wichtig sind die Möglichkeiten, die ein BGE bietet.

Die Vision, die wir mit dem BGE verbinden, ist wichtig. Nicht, welchen Weg wir nehmen, um ein Hindernis zu umgehen.

Es zählt am Ende nur, ob wir das Ziel erreichen oder ob wir es mit unseren internen kleinen Streitereien und persönlichen Befindlichkeiten aus dem Blick verlieren und es dann sogar verfehlen.

Ich möchte gern eine positive Diskussion haben und keine Rechthaberei.

Die vernünftigsten Argumente sollen sich durchsetzen, nicht die größte Lautstärke.

Ich möchte den leichtesten Weg gehen, den die große Mehrheit verstehen und mitgehen kann – nicht den kürzesten. Der kürzeste Weg ist nicht immer der schnellste und erst recht nicht immer der beste oder gar der sicherste.

Zuerst noch einmal die Definition eines Bedingungslosen Grundeinkommens, wie sie beim Netzwerk Grundeinkommen nachzulesen ist und wie sie von mir vertreten wird:

»Die Idee
Ein Grundeinkommen ist ein Einkommen, das eine politische Gemeinschaft bedingungslos jedem ihrer Mitglieder gewährt. Es soll
die Existenz sichern und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen,
einen individuellen Rechtsanspruch darstellen sowie
ohne Bedürftigkeitsprüfung und
ohne Zwang zu Arbeit oder anderen Gegenleistungen garantiert werden.
Das Grundeinkommen stellt somit eine Form von Mindesteinkommenssicherung dar, die sich von den zur Zeit in fast allen Industrienationen existierenden Systemen der Grund- bzw. Mindestsicherung wesentlich unterscheidet. Das Grundeinkommen wird erstens an Individuen anstelle von Haushalten gezahlt, zweitens steht es jedem Individuum unabhängig von sonstigen Einkommen zu, und drittens wird es gezahlt, ohne dass eine Arbeitsleistung, Arbeitsbereitschaft oder eine Gegenleistung verlangt wird.«
(https://www.grundeinkommen.de/die-idee)


Wichtigste Frage zuerst: Wie wird es finanziert?

Der Gesamtbetrag der Einkünfte von insgesamt 39,5 Mio. Steuerpflichtigen betrugen 1,416 Bill. € im Jahr 2013. Wenn man diese mit einer Einkommensteuer von pauschal 50 % belegt, ergibt das Einnahmen in Höhe von 708 Mrd. €.

In 2015 gab es Erbschaften und Schenkungen in Höhe von 35 Mrd. €. Wenn man diese mit pauschal 50 % Steuer belegt, betragen die Erträge hieraus insgesamt 17,6 Mrd. €.

Bei 25 % Umsatzsteuersatz ergäbe sich ein Umsatzsteuerertrag in Höhe von 209 Mrd. €.

An relevanten Sozialleistungen wurden 76 Mrd. € im Jahr 2010 aufgewendet, die durch ein BGE vollständig ersetzt würden. Dazu zählen Kindergeld / Elterngeld, Hilfe zum Lebensunterhalt, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Bafög und Meister-Bafög und Verwaltungsausgaben der Agentur für Arbeit.

Insgesamt ergibt sich ein für ein BGE verfügbarer Betrag von mehr als einer Billion Euro.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen in Höhe von monatlich 1.000 € pro Bundesbürger ist also real bezahlbar.

Unterstellen wir Löhne und Gehälter gleich hoch, wie heute, werden 35 Mio. Menschen mit bis zu 5.000 € Brutto-Monatseinkommen mehr frei verfügbares Gesamtnettoeinkommen haben, als bisher. Und nur ca. 2,6 Mio. Arbeitnehmer, die 5.000 € und mehr monatliches Bruttoeinkommen haben, werden weniger in der Tasche haben.

Noch kürzer: Nur auf die ca. 37,7 Mio. erwerbstätigen Arbeitnehmer bezogen, werden vom BGE ca. 35 Mio. Menschen profitieren und nur ca. 2,6 Mio. nicht.

Das ist ein Verhältnis von mehr als 13 : 1 Bessergestellte (Nettoempfänger) : Einbüßende (Nettozahler).

Und das reale Verhältnis ist am Ende noch sehr viel größer, weil hier Erwerbslose, Schüler, Studenten, Rentner und alle anderen Menschen ohne Erwerbsarbeitseinkommen noch gar nicht berücksichtigt sind – sie alle würden ebenfalls mit BGE besser gestellt.

Details findest du unter http://unruheraum.de/2017/07/09/06-und-es-funktioniert-doch/ und in den nachfolgenden Artikeln zur Finanzierung.


Dann werden aber Millionäre und Milliardäre auch mit einem BGE bedacht, obwohl sie das gar nicht brauchen – sie werden dadurch doch noch reicher.

Die Milliardäre und Millionäre sind zahlenmäßig so sehr in der Unterzahl, dass wir sie hier getrost unberücksichtigt lassen können – den paar Leutchen spendieren wir gern 1.000 € als kleine Anerkennung für ihre solidarischen Beiträge zum Gesellschaftsfrieden, die sie durch die pauschale Einkommensteuer dann zahlen. Und das meine ich tatsächlich nicht ironisch.

Zumal sie ja unterm Strich gar kein BGE bekommen. Also sie bekommen es natürlich erst einmal ausgezahlt, wie alle Anderen auch, aber sie zahlen einen viel höheren Betrag als Einkommensteuer wieder in den Topf, so dass sie insgesamt Nettozahler sind und eben keine Empfänger.

Gerecht ist, wenn alle den gleichen Anteil beisteuern – prozentual, nicht absolut! Und den Gerechtigkeits- und Gleichbehandlungsgrundsatz erfüllt nur ein pauschaler Steuersatz für alle Einkommensarten – und das ist dann wirklich mal alternativlos.


Aber wie finanziert der Staat dann seine anderen Aufgaben, wenn alles Geld für BGE und Soziales draufgeht?

Mit den anderen Steuerarten, die je nach Verwendungszweck dann über die entsprechenden Abgaben erhoben werden können: Tabaksteuer, Verkehrssteuer (heute Kfz-Steuer), Alkoholsteuer, Energiesteuer, Kultursteuer… Da sind doch heute schon genug Steuern unterwegs und man kann das doch gestalten, wie es notwendig ist. Das hat gar nichts mit dem BGE zu tun.


Was ist mit der Krankenversicherung? Ist die denn nun im BGE enthalten oder nicht?

Wenn das so festgelegt wird, ist sie enthalten. Dann sollte die pauschale Einkommensteuer entsprechend angepasst werden und fällt dann etwas höher aus. Ob ich nun einen Sozialversicherungsbeitrag zahle oder eine Einkommensteuer, ist doch dem Geld egal.

Ich plädiere für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Damit würden wir die Gesundheitsvorsorge und die Krankheitsversorgung und die Pflege im Alter in einem Ritt gemeinsam erschlagen. Und möglicherweise können wir damit sogar noch ein paar andere Staatsausgaben bezahlen.

Ganz nebenbei wird der Hochfrequenzhandel an der Börse wirtschaftlich uninteressant und auch die Wertpapierhändler und -anleger können ein klein wenig aufatmen… 😉

Und wenn das nicht durchsetzbar ist, wird halt die Einkommensteuer etwas höher angesetzt. Das ändert am Gesamtgefüge gar nichts. Jeder Euro, den ich aus bezahlter Erwerbsarbeit netto ausbezahlt bekomme, ist für mich frei verfügbar. Damit bleibt der Arbeitsanreiz erhalten, selbst, wenn die Einkommensteuer noch höher angesetzt werden sollte.

Es gibt sogar Meinungen, allein eine Finanztransaktionssteuer könne ein BGE, eine Krankenversicherung und alle anderen Staatsausgaben tragen.

Ich bin da, zugegeben, nicht ganz so optimistisch… Erst recht, wenn viele Transaktionen wegen Unwirtschaftlichkeit durch eine Finanztransaktionssteuer wegfallen. Aber das können die Leute mal gezielt nachrechnen, die leichteren Zugriff auf die betreffenden Daten haben. Ich habe zurzeit keine belastbaren Informationen darüber.


Und kommt das BGE nun zum Erwerbsarbeitseinkommen hinzu oder nicht? Ich habe gehört, es wird mit dem Einkommen verrechnet und der Arbeitgeber zahlt dann weniger Lohn?

Du bekommst dein BGE und dann gehst du einer bezahlten Erwerbsarbeit nach. Auf deinen Lohn bezahlst du deine Einkommensteuer und andere fällige Abgaben und Beiträge. Das BGE bleibt davon unberührt.

Ich beschreibe es so: Alles, was netto von deinem Lohn an dich ausgezahlt wird, kommt auf das BGE oben drauf, weil das BGE die Grundlage deines Lebens sein soll und alles andere kommt dazu.

Andere erklären es andersrum: Dein BGE kommt auf deinen Nettolohn drauf.


Und was ist mit den Menschen, die nicht arbeiten gehen – wenn die nun mit dem BGE nicht auskommen können – sind die dann die Gelackmeierten und stehen am Ende vielleicht sogar schlechter da, als mit dem heutigen ALG II?

Selbstverständlich wird es Menschen geben, die einen höheren notwendigen Bedarf haben, als ihnen das BGE zur Verfügung stellt. Dafür gibt es vielfältige Gründe im Einzelfall, wie z. B. Krankheit, Behinderung, Gebrechlichkeit oder schwierige soziale Situation.

Diese Menschen können dann eine zusätzliche Unterstützung bekommen, wenn sie diese beantragen und begründen – so, wie das heute auch schon der Fall ist.

Das BGE soll einen Mittelwert darstellen, um einer möglichst großen Zahl an Menschen ein gleichberechtigtes Leben ohne Existenzangst führen zu können, aber es soll ausdrücklich nicht so hoch sein, um über einen notwendigen Grundbedarf hinauszugehen. Private Urlaubsreisen oder ein privates Auto oder gar Wohneigentum oder unangemessen große Wohnfläche soll damit nicht finanziert werden. Für die individuelle Mobilität kann man sich vom BGE eine Monatskarte für die ÖPNV kaufen. Alles darüber hinaus ist nicht genau definierbar und zählt eher zum Luxus, als zum notwendigen Grundbedarf.

Aber das ist noch gar nicht festgeschrieben und befindet sich in Diskussion. Man muss den zugrundeliegenden Umfang an Waren, Dienstleitungen und Werten, der einem BGE zugrunde liegen sollen, möglichst gerecht und fair ermitteln.

Wichtig ist, dass die Höhe eines BGE jederzeit eventuellen Bewegungen der wirtschaftlichen Gesamtsituation der Gesamtgesellschaft möglichst automatisch folgt.


Aber wenn ich in Düsseldorf wohne und die Mieten dort unbezahlbar sind, reicht mir das BGE nicht.

Dann muss man diskutieren, ob neben dem BGE z. B. das Wohngeld als Sozialleistung notwendig und gewünscht erhalten bleibt. Dann kann man das auf Antrag und nach Prüfung der Bedürftigkeit bekommen.

Ich bin dafür, mit einem BGE das Wohngeld abzuschaffen.


Aber neben der Miete gibt es doch noch die ganzen anderen Lebenshaltungskosten, die in München viel höher sind, als in Plau am See.

Ja, es wird Gegenden geben, in denen das BGE dann sehr knapp sein wird.
Aber das BGE ermöglicht dann, in eine preiswertere Gegend zu ziehen. Das wird auch die Ballungsräume entlasten. Man kann leichter in WGs zusammenziehen, weil jeder sein volles BGE mitbringt.

Und Gegenden, die heute nicht nachgefragt werden, weil es heute dort zu wenig bezahlte Erwerbsarbeit gibt, werden dann wieder sehr attraktiv, weil man dort dann neue Lebensmodelle aufbauen oder alte wiederbeleben kann, weil jeder sein BGE mitbringt.

Und Familien, die heute aus Gründen des Erwerbsarbeitszwangs weit zerstreut leben, können dann wieder leichter nahe beisammen leben und sich gegenseitig stützen, weil jeder sein BGE mitbringt.

Und ja, es wird Menschen geben, die sehr sparsam leben und mit einem BGE sehr komfortabel auskommen, während andere es vielleicht schwer haben werden, ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Das hat auch ganz viel damit zu tun, dass viele Menschen sehr unterschiedliche Meinungen und Erfahrungen haben, wie hoch denn nun der notwendige Grundbedarf sein müsse.

Deshalb muss diese Frage sehr sorgfältig betrachtet werden.

Aber deshalb heute schon gegenseitig Vorwürfe zu erheben, der Eine sei gierig und der Andere sei geizig, bringt nur Zerwürfnis und schadet der Idee vom BGE insgesamt sehr, weil dann die Skeptiker und Gegner mit dem Finger auf uns zeigen und zu recht sagen: »Guckt mal, die wissen selbst nicht was sie wollen, die Spinner!«

Wir müssen erklären, weshalb das BGE gut und richtig ist und uns nicht über die Höhe streiten.

Der Bär ist erst erlegt, wenn wir sicher sind, dass ein BGE von der Gesellschaft unbedingt gewollt und allgemein anerkannt wird.

Und erst dann können wir das Fell des Bären verteilen, indem wir darüber sprechen, wie hoch das BGE denn nun sein muss/soll/kann/darf.

Denn wenn man über die Höhe eines BGE spricht, muss man gleichzeitig auch über die Finanzierung und damit die Belastung der Nettozahler sprechen.

Auch wenn ich mir noch so sehr wünsche, das BGE wäre monatlich 3.976 Euro hoch – ich werde es nicht durchbekommen, weil die Belastung, die für die Finanzierung nötig wäre, nicht durchsetzbar wäre. Und wenn ich sage, ein BGE von 378 Euro wäre ausreichend, wird sich das ebenfalls nicht durchsetzen, weil der Mehrheit klar ist, dass das zu niedrig sein wird.

Ich glaube, der Bereich bei ca. 1.000 bis vielleicht 1.200 Euro ist realistisch und vernünftig.


Und bekommen dann alle den selben Betrag oder Kinder nur die Hälfte?

Auch das ist diskutabel. Wenn Kinder den vollen Satz bekommen, kann man es insgesamt etwas niedriger ansetzen und bei einem niedrigeren Betrag für Kinder muss man ein vernünftiges Verhältnis finden. Ob das dann 1.200 € zu 600 € sein wird oder vielleicht 900 € zu 700 €, ist doch jetzt völlig egal, solange noch gar keine konkrete Realisierungsabsicht sichtbar ist.


Und warum gibt man nicht Gutscheine aus, für einen gewissen Grundbedarf an Strom, für den ÖPNV, für Theater- und Kinobesuche, für Lebensmittel, für Telekommunikationskosten und Bildung? Die Miete könnte zentral erfasst und abgerechnet werden und viele andere Möglichkeiten könnten genutzt werden, damit keiner mit seinem Geld Missbrauch treiben kann und z. B. seine Kinder trotz BGE kurz hält, um sich selbst Kippen und Bier zu kaufen und sich künstliche Nägel machen und sich tätowieren zu lassen, anstatt gesunde Nahrung zu kaufen und ordentliche Kleidung.

Najaaa… Ich könnte jetzt mit Heinrich Zille antworten:

»Der Mensch schließt von sich auf Andere und vergisst dabei, dass es auch anständige Menschen gibt.«

Aber es gibt einen ganz einfachen und vernünftigen Grund: Geld ist leichter und billiger zu verteilen, als Gutscheine, die dann hin- und hergerechnet werden müssen. Der Kontrollaufwand und der Verwaltungswasserkopf wäre gigantisch. Und wer sollte das wiederum bezahlen – oder nimmst du dein BGE abzüglich der Kosten entgegen? Oder willst du noch höhere Steuern bezahlen, nur um den Verwaltungsaufwand mit zu bezahlen?

Ich freue mich über jeden Beitrag, der etwas zur Verbesserung der Argumentation für ein BGE beiträgt, der Kritik am BGE selbst oder an den Argumenten für ein BGE vernünftig vorträgt oder der mir hilft, meine Blogbeiträge zu verbessern.

Am wichtigsten sind mir Fehlermeldungen, denn ich bin nicht fehlerfrei und was ich tue auch nicht immer.

Herzlichen Dank für dein Lesen bis hierher und vorauseilend für deine Mithilfe.

Viele Grüße
Detlef Jahn

3 Gedanken zu „21: Ein paar Stichpunkte zur Umsetzung eines BGEs“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert